New York. Der Prozess um die Schweigegeldzahlungen Donald Trumps an Stormy Daniels geht weiter. Kann der Ex-Präsident seine Unschuld beweisen?

„Es war Wahlbetrug, schlicht und einfach.“ Mit diesem Schlüsselsatz bilanzierte Matthew Colangelo am Montagmorgen im Gerichtsgebäude von Süd-Manhattan sein Eröffnungs-Plädoyer im ersten Strafprozess gegen einen ehemaligen amerikanischen Präsidenten, Donald Trump.

Um außereheliche Sex-Affären zu unterdrücken, habe Trump ein „kriminelles Komplott“ inszeniert und dies später zu vertuschen versucht, erklärte der New Yorker Staatsanwalt weiter. Dabei habe der 77-Jährige zusammen mit seinem früheren Privat-Anwalt Michael Cohen und dem ehemaligen Boulevard-Blatt-Besitzer David Pecker gemeinsame Sache gemacht. Der ehemalige US-Präsident, gefasst und grimmig, verzog hier zum ersten Mal das Gesicht.

Trump in Bedrängnis: Schweigegeldzahlung könnte als Wahlbetrug gewertet werden

Der angeklagte Fall: Um den Porno-Star Stormy Daniels zum Schweigen über eine auf das Jahr 2006 datierte Sexaffäre zu bringen, erhielt die gebürtige Stephanie Clifford über Trumps Anwalt Michael Cohen 130.000 Dollar. Die Summe wurde in Trumps Geschäftsunterlagen als Anwaltskosten verbucht. Aus Sicht der Ermittler handelte es sich dabei aber eindeutig um Ausgaben für den damaligen Präsidentschaftswahlkampf – ein strafbarer Betrug.

Colangelo arbeitet in seinem Plädoyer vor den zwölf Geschworenen das mutmaßliche Motiv heraus: „Vor dem Wahltag sollten Amerikas Wähler nichts von der Sex-Affäre erfahren.“ Details über den Seitensprung mit Daniels, den Trump bis heute leugnet, hätten sich kurz nach Bekanntwerden des „Access Hollywood“-Skandals „verheerend“ auf seine Präsidentschaft-Ambitionen auswirken können. In dem unmittelbar vor der Wahl öffentlich gewordenen Tonbandmitschnitt sagte Trump, dass mächtige Leute wie er Frauen ungestraft zwischen die Beine greifen könnten („grab them by the pussy“).

Versuchte Trump, einen Skandal zu vetuschen?

Die Staatsanwaltschaft macht deutlich, dass Trump seinen guten Draht zum „National Enquirer“-Boss David Pecker genutzt habe, um für ihn unvorteilhafte Geschichten unter der Decke zu halten. Pecker war dem Republikaner im Fall Karen McDougal behilflich. Ihre zehnmonatige Beziehung mit Trump aus den Jahre 2006/2007 wurde mit 150.000 Dollar (zunächst aus der Kasse Peckers) aus der Öffentlichkeit gehalten. Trump, so der Staatsanwalt, habe „händeringend“ nach einem Weg gesucht, dass die Amouren mit dem ehemaligen Playboy-Model nicht ans Tageslicht kommen.

Trump-Prozess geht mit Auftaktplädoyers weiter

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    Pecker hatte als erster Zeuge der Anklage am Montag nur einen 20-minütigen Kurzauftritt. Der 72-jährige Mann mit dem weißen Oberlippenschnäuzer, lange Jahre ein enger Freund Trumps, bekannte sich grob zum „Scheckbuch-Journalismus“, ging aber nicht ins Detail. Das Kontrast-Programm zur Staatsanwaltschaft kam von Todd Blanche. Der leitende Anwalt in Trumps Team begann sein Plädoyer unmissverständlich so: „Präsident Trump ist unschuldig.“ Was er getan habe, „hätte jeder von uns getan“. Die Erzählung der Staatsanwaltschaft sei „sauber und hübsch“, aber „nicht wahr“.

    Blanche betonte, dass Trump mit der Erstattung des von Cohen an Stormy Daniels gezahlten Schweigegeldes „nichts zu tun hatte“. Dass Cohen für die Vorleistung von 130.000 Dollar insgesamt 420.000 Dollar erhalten habe, spreche für seinen Mandanten, den die Anklage zuvor als Pfennigfuchser charakterisiert hatte. Blanches Kern-Aussage: Trump habe überhaupt nichts Strafbares gemacht. „Es ist nichts falsch daran, zu versuchen, eine Wahl zu beeinflussen. Man nennt es Demokratie.“

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    Trump-Anwalt will Zeugen diskreditieren

    Blanche ließ hier bereits einen wichtigen Teil seiner Strategie kennen: Er nannte den Kronzeugen Michael Cohen einen Lügner, der bis heute von Trump besessen sei, ihn ein „abscheuliches Individuum“ nenne und das tiefe Verlangen habe, Trump ins Gefängnis zu bringen. Als Motiv für Cohens Aussagen gegen seinen früheren Boss nannte Blanche Frustration: „Cohen wollte einen Job in der Regierung. Er hat keinen bekommen.“ An die Geschworenen gerichtet: „Man kann ihm nicht trauen.”

    Weil ein Geschworener über Schmerzen klagte und eher zum Arzt musste, wurde der erste echte Prozesstag bereits nach drei Stunden abgebrochen. Weiter geht es am Dienstag, 23. April. Dann wird auch geklärt, ob Richter Merchan Trump für fortwährende Verstöße gegen Knebel-Auflagen (gag order) bestrafen wird. Trump ignoriert alle Aufforderungen, nicht länger Richter, Ankläger und Zeugen zu beleidigen.

    Merchan gab der Anklage die Erlaubnis, diverse Altsünden Trumps zu thematisieren. Etwa den kürzlich mit einem Strafgeld von über 450 Millionen Dollar belegten Betrug in seinem Konzern. Und den zweifachen Verleumdungs-Prozess gegen die Kolumnistin E. Jean Carroll, die er laut Gericht sexuell missbraucht hat. Sowie die vielen Verstöße gegen frühere „Maulkorberlasse“.

    Anti-Trump-Demonstranten der Aktivistengruppe halten vor dem Gericht in Manhattan Schilder und Transparente.
    Anti-Trump-Demonstranten der Aktivistengruppe halten vor dem Gericht in Manhattan Schilder und Transparente. © DPA Images | Gina M Randazzo

    Trump will „die Wahrheit sagen“

    Weil in allen Fällen unvorteilhafte Details zum Vorschein kommen werden, wird nicht damit gerechnet, dass Trump selbst in den Zeugenstand tritt. Seine Anwälte müssten befürchten, dass sich ihr Mandant „um Kopf und Kragen redet“, sagten Analysten in den USA. Trump hingegen betonte mehrfach, er wolle definitiv „die Wahrheit sagen“.

    Während der Verhandlung saßen regelmäßig mehrere Sicherheitskräfte direkt hinter Trump. Dazu waren neun Justiz-Angestellte im dicht gefüllten Saal anwesend. Trump war anzusehen, wie schwer es ihm fiel, nur auf Empfang sein zu dürfen und nicht auf Sendung. Seine Miene war grimmig bis gefasst. Mitunter schüttelte er leise den Kopf. Wutausbrüche gab es keine.

    Was auffiel: Niemand aus seinem privaten Umfeld, weder seine Frau, seine erwachsenen Kinder noch andere Familien-Mitglieder, waren anwesend, um den Angeklagten moralisch zu unterstützen. Donald Trump war allein.