Berlin. Die Aktivisten der „Letzten Generation“ führen einen richtigen Kampf mit falschen Mitteln. Die Politik sollte auf Distanz bleiben.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist in den knapp anderthalb Jahren, in denen er sein Amt inzwischen bekleidet, nicht gerade als energischer Vorkämpfer für den Klimaschutz aufgefallen. Zwar erkennt er die Bedeutung des Themas an. Anders als seine Vorgänger interessiert er sich auch für Busse und Bahnen, also für klimafreundliche Mobilität.

Aber auch unter Wissing ist das Verkehrsministerium vor allem ein Autoministerium: Kürzlich erst drückten die Liberalen die Beschleunigung von mehr als 140 Autobahnprojekten durch. Dem Verbrenner wollen sie ein ewiges Leben bescheren, wenn er denn mit synthetischen Kraftstoffen betrieben wird. Ein Tempolimit auf Autobahnen lehnen Wissing und seine FDP ebenso kategorisch ab wie Änderungen bei der Besteuerung von dicken Dienstwagen. Zur Erinnerung: Der Verkehrssektor gilt hierzulande als das größte Sorgenkind beim Klimaschutz, weil er regelmäßig die Vorgaben zur Treibhausgas-Reduktion verfehlt.

Thorsten Knuf, Politik-Korrespondent Foto: Reto Klar
Thorsten Knuf, Politik-Korrespondent Foto: Reto Klar

Klimaschutz: Die Aktivisten sind jetzt salonfähig

Angesichts dieser Gemengelage ist es bemerkenswert, dass der Verkehrsminister am Dienstag das direkte Gespräch mit den Klimaklebern der Letzten Generation gesucht hat. Die Gruppe legt mit Straßenblockaden immer wieder den Verkehr lahm, vorzugsweise in Berlin. In einer Demokratie müsse man miteinander reden und gemeinsam Lösungen erarbeiten, sagte Wissing unmittelbar vor dem Treffen mit den Aktivisten. Deren fortwährenden Blockaden bezeichnete Wissing zugleich als Straftaten: „Das ist Kriminalität“, sagte er.

Vermutlich hätte Wissing der „Letzen Generation“ keinen größeren Gefallen tun können, als sie mit diesem Gespräch zu adeln. Man muss offenkundig nur ordentlich Rabatz machen in Deutschland, um von einem Bundesminister empfangen zu werden. Die Aktivisten sind im politischen Berlin jetzt salonfähig.

Das ist ja gerade das Verstörende an der „Letzten Generation“: Ihre Forderung nach wirkungsvollem Klimaschutz ist berechtigt. Ihr Dringlichkeitsappelle sind keine Panikmache, sondern angesichts der rasant fortschreitenden Erderhitzung mehr als angebracht. Junge Menschen werden viel länger unter den Folgen der Klimakrise zu leiden haben als die Generation Wissing, Scholz oder Merz, die gerade die politische Verantwortung in Deutschland trägt.

Letzte Generation: Fridays for Future ist bereits auf Distanz gegangen

Die Aktivisten wollen nicht den Staat und die Gesellschaft aus den Angeln heben, sondern streiten vielmehr für eine lebenswerte Zukunft in diesem System. Das tun sie allerdings mit Mitteln, die mehr als zweifelhaft sind: Indem sie mit ihren Blockaden die Freiheit anderer Menschen einschränken, Kunstwerke beschädigen und überdies demokratische Regeln missachten.

Dem Klimaschutz erweist die „Letzte Generation“ mit alldem einen Bärendienst. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Stimmung in der Bevölkerung bei diesem Thema ohnehin zu kippen scheint, wie die aufgeregte Debatte über den Abschied von Gasheizungen zeigt. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich die moderaten Klimaaktivisten von Fridays for Future unlängst bemüßigt sahen, sich von der Letzen Generation zu distanzieren. Diese spalte die Gesellschaft, lautete der Vorwurf.

Man kann den Menschen beim Klimaschutz schon einiges zumuten. Vor allem die Wahrheit: So wie es bisher lief, kann es nicht bleiben. Wirkungsvoller Klimaschutz ist mühsam und verursacht Kosten. Es ist gut, wenn Aktivisten immer wieder daran erinnern. Wenn sie allerdings glauben, über Recht und Gesetz stehen, dann diskreditieren sie sich selbst. Solange dies so ist, können sie kein Ansprechpartner der Politik sein.