Gotha/Döbeln. „Das Wichtigste war, dass die Landwirtschaft nicht kaputt geht.“ Lutz Goepel ist vor 30 Jahren für die Bauernpartei in die Volkskammer eingezogen und wurde dann ein im Agrarbereich erfolgreicher EU-Politiker.

Die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) ist eine starke Organisation: Deutlich mehr als 100.000 Mitglieder hat sie in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre. Lutz Goepel, 1942 geboren in Gotha, ist seit 1966 DBD-Mitglied. Er studiert in Jena Landwirtschaft, promoviert 1988 und lebt im Bezirk Leipzig „als die Wende kommt. Es stellt sich die Frage: Was wird aus dieser Bauernpartei?“, schildert Goepel die Situation. „Unsere Truppe war nicht so sehr politisch geprägt. Es ging vor allem um fachliche Details, wenn wir uns trafen. Das wollten wir nicht aufgeben“, sagt er. Und was ist mit dem Vorwurf, die Bauernpartei sei bisweilen röter als die SED gewesen? „Das ist eine Frechheit. Das lässt sich massiv widerlegen“, sagt er und verweist auf andere Blockparteien…

Goepel belegt Platz 1 auf der DBD-Liste für die Bezirke Gera, Erfurt, Suhl und Leipzig. Das DDR-weite Wahlergebnis fällt mit 2,17 Prozent bescheiden aus. „Montags bin ich wieder in den staatlichen Beratungsdienst gegangen. Wir bauten Kuhställe.“ Am Mittwoch wird er verständigt, dass er gewählt ist, „denn die Fünf-Prozent-Hürde galt nicht“. Dann geht alles ganz schnell: Die Volkskammer konstituiert sich. Goepel wird im Ausschuss zur MfS-Auflösung gebraucht, weil er sich mit Computern auskennt. Der Landwirtschaftspolitik bleibt er weiter verbunden. Die DBD hat neun Mitglieder. Mit Karin Bencze als einziger Abgeordneten des Demokratischen Frauenbundes (DFD) bilden sie bis Ende August die DBD/DFD-Fraktion. Der vormalige Partei- und Fraktionschef Günther Maleuda ist fortan fraktionslos; Bencze schließt sich dann als Gast der FDP-Fraktion an. Lutz Goepel entscheidet sich im Zuge des Zusammenschlusses mit der CDU, dort Mitglied zu werden.

Goepel verdankt Start in die EU-Politik nicht der CDU

Er startet als Europapolitiker durch; zunächst bis 1994 als Beobachter; dann ist er bis 2009 in drei Wahlen erfolgreicher Abgeordneter, eher er in Pension geht. Goepel betont, dass er seinen Start in die EU-Politik nicht der CDU verdankt: Der DBD steht 1990 ein Beobachtersitz im Europaparlament zu - und den nutzt er. Sein Fachbereich ist der Agrarsektor. „Das Wichtigste war, dass die Landwirtschaft nicht kaputt geht und in ihren Strukturen nicht zerstört wird“, sagt er zu seiner Motivation, in die Politik zu gehen und dort so lange zu bleiben. „Das ist eigentlich auch gut gelungen“, schätzt er mit Blick auf die neuen Länder ein. Als Goepel in die Europapolitik wechselt, ist er 50 - und muss erst mal Englisch lernen. „Das war nicht so ganz einfach“, erinnert er sich. Von Mitte der 1990er-Jahre an bis 2009 ist er Obmann im Landwirtschaftsausschuss; er gehört zeitweilig dem Fraktionsvorstand der Europäischen Volkspartei (EVP) an.

Zurück nach Gotha: Lutz Goepel kommt dort zur Welt, weil sein Vater als Jurist bei der dortigen Landesbrandversicherung gearbeitet und seine Mutter kennengelernt hat. Die fünfköpfige Familie - Lutz hat zwei Brüder - lebt in einem Gagfah-Haus und zieht, als diese Gebäude wegen der Sowjetarmee beschlagnahmt werden, in die Vorväterheimat nach Altenburg. Als Goepel in Windischleuba Internatsschüler ist, wird in der Zehnten Lothar Bisky, den er Johnny nennt, sein Klassen- und Zimmerkamerad. „Nach dem Abitur haben wir uns aus den Augen verloren. In der ersten Sitzung der Volkskammer schaue ich in den Block der PDS und wen sehe da? ‘Johnny’.“