Die bisher exklusiv für Frauen reservierten Positionen als Gleichstellungsbeauftragte können künftig auch Männer einnehmen. Für die einen ist das ein Schritt hin zur Geschlechtergerechtigkeit und zur Überwindung von Rollenklischees.

Erfurt. Wozu doch ein Unwort des Jahres gut sein kann: Als vor einem Monat "Opfer-Abo" von Sprachwissenschaftlern als eine unerwünschte und unangemessene Bezeichnung geißelten, hatte kaum je einer das Wort überhaupt gehört. Nun also steht "Opfer-Abo" auf den Protest-Plakaten, die Männer und Frauen vor dem Thüringer Landtag hochhalten.

Die Demonstranten sind Vertreterinnen des Landesfrauenrates, Gleichstellungsbeauftragte und Politikerinnen und Politiker der Linken und der Grünen. Sie zielen mit dem "Unwort 2013" auf das überarbeitete Gleichstellungsgesetz in Thüringen, das es seit künftig auch Männern erlaubt, Gleichstellungsbeauftragte zu werden.

Gleichstellungsbeauftragte können nun männlich sein

Als die Schilder mit dem Wort "Opfer-Abo" hochgehalten werden, besteht theoretisch noch die Chance, an dem Gesetz etwas zu ändern, das immerhin dem Landesfrauenrat in Gänze nicht passt. Der Landesfrauenrat ist der Dachverband der Frauenvereine, -verbände und -vertretungen im Land und hat damit sogesehen jede fünfte Frau in Thüringen hinter sich stehen.

Der Landesfrauenrat war es, der immer wieder darauf gedrängt hatte, das bisher eher zahnlose Gesetzeswerk, das fast 15 Jahre alt war, an die Gegebenheiten der Zeit anzupassen. Dabei wurde etwa an ein umfängliches Klagerecht der Gleichstellungsbeauftragten gedacht, wie Ilona Helena Eisner als Vorsitzende des Landesfrauenrates in Gesprächen mit unserer Zeitung immer wieder deutlich gemacht hatte.

Das Ergebnis ist nun ein ganz anderes: Die bisher exklusiv für Frauen reservierten Positionen als Gleichstellungsbeauftragte können künftig auch Männer einnehmen. Für die einen ist das ein Schritt hin zur Geschlechtergerechtigkeit und zur Überwindung von Rollenklischees nach dem Motto: Wenn Frauen Männer im Fußball trainieren können, können Männer auch Frauen in durch Männer verursachter Not gute Berater sein. Für die anderen ist dieser Schritt absurd. Der schwarz-rote Vorschlag ging am Ende erwartungsgemäß durch.

Kemmerich: Es geht nicht um Frauenförderung

Für Eisner ist das unverständlich: "Unsere Kritik richtet sich auf die neuerlichen und kurzfristigen Änderungen im Gleichstellungsgesetz, die vorsehen, dass auch Männer Gleichstellungsbeauftragte im öffentlichen Dienst werden können. Leider sind weder der Landesfrauenrat Thüringen noch die Thüringer Gleichstellungsbeauftragten im öffentlichen Dienst zu den neuerlichen Änderungen befragt wurden. Wir sind der Meinung, dass Gleichstellungsbeauftragte eine Benachteiligung ausgleichen müssen. Diese betreffen zurzeit im öffentlichen Dienst vor allem Frauen. Deshalb brauchen sie eine Ansprechpartnerin als Gleichstellungsbeauftragte, hebt sie hervor.

In der Politik haben Männer längst wichtige Posten im Bereich der Gleichstellung. Ausschussvorsitzender ist Thomas L. Kemmerich (FDP); Henry Worm bekleidet bei der CDU das Amt des gleichstellungspolitischen Sprechers. In dieser Funktion betont er, dass die Möglichkeit nun Männer ins Amt der Gleichstellungsbeauftragten wählen zu können, "entscheidend zu einer Gleichstellungspolitik beitragen" werde, die diesen Namen auch verdient". Die Opposition - allen voran Linke und Grüne - hatten davor gewarnt.

Worm aber findet, dass es an der Zeit sei, "die lieb gewonnenen Rollenklischees, in denen diese Ängste wurzeln, aus dem Denken zu verbannen. Die Wirklichkeit ist längst weiter", so seine Einschätzung. Kemmerich sagt: Die Ablehnung männlicher Gleichstellungsbeauftragter zeuge von einem "merkwürdigen Demokratieverständnis". Männer dürften nicht ausgeschlossen werden. Es gehe nicht um Frauenförderung, sondern Gleichstellung, hebt er hervor.

Karola Stange, bei den Linken gleichstellungspolitische Sprecherin, findet es - wie auch die Grünen - "mehr als beschämend, dass mit Hilfe der SPD-Fraktion so rückschrittliche Änderungen für das Thüringer Gleichstellungsgesetz beschlossen wurden." 41 Ja-Stimmen hatte es gegeben - knapp, aber ausreichend. "Vor allem auch mit dem ,Männermodell für Gleichstellungsbeauftragte ist Thüringen nun Schlusslicht in Deutschland", schätzt Stange ein. Sie will rasch mit Interessenvertreterinnen beraten, wie nun vorgegangen werden kann.

"Wir bedauern zutiefst, dass Thüringen damit die Chance verpasst, in Sachen Gleichstellung und Frauenförderung endlich voran zu kommen. Da half nicht einmal die engagierte Rede der SPD-Frauenpolitikerin Birgit Pelke, die sich deutlich gegen das Gesetz positionierte und mit ihrer Fraktionskollegin Dorothea Marx die Zustimmung verweigerte", betont Astrid Rothe-Beinlich, bei den Grünen-Fraktion frauenpolitische Sprecherin.

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