Nach Jahrhunderthochwasser vor zehn Jahren: Thüringen investiert Hunderte Millionen in Schutz
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Von Annett Gehler, dpa
Vor zehn Jahren war in weiten Teilen Thüringens “Land unter“: Ein Jahrhunderthochwasser hatte vor allem Gebiete an der Weißen Elster verwüstet. Seither hat das Land enorm viel Geld in den Schutz vor Überschwemmungen gesteckt.
Die Bilder zuletzt von verheerenden Überschwemmungen in Norditalien wecken auch in Thüringen schlimme Erinnerungen. "Wir wissen genau, wie sich die Menschen dort fühlen – es kommt plötzlich, dann ist die Katastrophe da und muss bewältigt werden", sagt Holger Peter Saupe, Leiter der Kunstsammlung Gera.
Als sich vor zehn Jahren die Weiße Elster in einen reißenden Fluss verwandelte und den Geraer Stadtteil Untermhaus flutete, war Saupe mit dem Otto-Dix-Haus, der Orangerie und privat gleich dreimal betroffen. Der 63-Jährige weiß daher aus eigener Erfahrung: Die Nachwehen einer solch extremen Wetterlage sind lang.
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Nach tagelangem Dauerregen waren Ende Mai 2013 die Wasserstände vieler Flüsse in Thüringen bedrohlich angestiegen. Der ohnehin gesättigte Boden konnte den Starkregen kaum noch fassen, so dass die Bäche und Flüsse anschwollen und vielerorts Hochwasseralarm ausgerufen wurde.
Nie gekannte Wasserstände gemessen
An einigen Pegeln wurden damals noch nie gekannte Wasserstände erreicht. Anfang Juni 2013 hatte dann das Hochwasser Teile Ostthüringens in ein Katastrophengebiet verwandelt.
An der Weißen Elster, Pleiße und Abschnitten der Saale war die Lage derart dramatisch, dass Fachleute fortan von einem Jahrhunderthochwasser sprachen. Tausende Menschen mussten damals wegen der braunen Fluten ihre Häuser verlassen, ganze Stadtteile liefen voll, Straßen wurden unterspült und Keller standen unter Wasser. Vielerorts gab es keinen Strom, etwa 50 Schulen blieben geschlossen. Die Schäden summierten sich laut der Landesregierung auf mehr als 450 Millionen Euro.
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Thüringen nahm nach den Überschwemmungen viel Geld in die Hand und reagierte mit zusätzlichem Hochwasserschutz – sowohl mit technischen Anlagen als auch mit mehr natürlichen Raum für die Flüsse. "Die Vorsorge ist umso wichtiger, weil in Zeiten der Klimaveränderungen mit häufigen Extremwettern die Gefahren von Hochwasser und Starkregen steigen", betont Umweltminister Bernhard Stengele (Grüne). Gerade die Weiße Elster sei ein Hochwasserrisikogebiet.
Land schafft Überschwemmungsgebiete
"Hier setzen wir mit unseren Maßnahmen aus den Landesprogrammen für Hochwasserschutz an", sagt Stengele. Demnach sollen unter anderem noch in den kommenden Jahren an rund 600 Kilometern Gewässer Überschwemmungsgebiete geschaffen werden. Von der Sanierung, Erweiterung oder dem Neubau von 65 Kilometern Hochwasserschutzanlagen sollen bis 2027 etwa 80.000 Menschen im Freistaat profitieren.
Hochwasser in Thüringen: Erinnerungen bleiben auch zehn Jahre danach wach
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Bereits seit 2013 haben sich die Investitionen in den Hochwasserschutz im Freistaat laut dem Ministerium in etwa verdreifacht. Bis Ende dieses Jahres werden rund 280 Millionen Euro an Mitteln von der EU, dem Bund und Land geflossen sein.
Hochwasserschutzwand und Rückverlegung eines Deiches
Allein im Gebiet der Weißen Elster wurden den Angaben nach in den vergangenen zehn Jahren rund 60 Millionen Euro investiert. In Gera wurde etwa eine Hochwasserschutzwand neu errichtet, und in Greiz wurde mit der Rückverlegung eines Deiches eine etwa elf Hektar große Fläche als natürlicher Überflutungsraum zurückgewonnen.
Die Greizer Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) hatte am 2. Juni 2013 um 14.03 Uhr als erste den Katastrophenalarm in Thüringen ausgelöst. "Ich habe in diesen Tagen ganz pragmatisch funktioniert", erinnert sich Schweinsburg. Auch der Zusammenhalt – die große Solidarität und Spendenbereitschaft – sind der Landrätin im Gedächtnis geblieben.
Weiße Elster übersteigt Rekordmarke von 1954
Die Weiße Elster hatte die Rekordmarke von mehr als 5,50 Metern aus dem Jahr 1954 noch überstiegen und unter anderem die Innenstadt sowie das damals erst frisch sanierte Sommerpalais und den Landschaftspark verwüstet.
"Die Rettungsketten haben funktioniert, alle Beteiligten haben enorm umsichtig gehandelt – es gab keine Toten und keine Plünderungen", blickt Schweinsburg zurück. Für eventuelle künftige Naturkatastrophen sieht die Kommunalpolitikerin die Region gewappnet: "Es ist nicht auszuschließen, dass so etwas noch einmal passiert, aber wir müssen vorbereitet sein – und das sind wir."