Washington. Aufatmen in den USA und an den Märkten: Nach langen Verhandlungen endet der erbitterte Schuldenstreit zwischen Demokraten und Republikanern. Richtig begeistert ist aber kaum einer von dem Kompromiss.

Nach der parteiübergreifenden Einigung auf eine Lösung im US-Schuldenstreit hat Präsident Joe Biden die Zusammenarbeit zwischen Demokraten und Republikanern beschworen. Mit einem symbolträchtigen Auftritt zelebrierte Biden am Freitagabend (Ortszeit) die Abwendung eines Zahlungsausfalls der Regierung und mahnte, in dramatischen Situationen wie dieser führe kein Weg an überparteilicher Kooperation vorbei. „Es hätte nicht mehr auf dem Spiel stehen können“, sagte der Demokrat in einer Ansprache an die Nation aus dem Oval Office im Weißen Haus. „Wir haben eine wirtschaftliche Krise und einen wirtschaftlichen Kollaps verhindert.“

Es war Bidens erste offizielle Ansprache an die Nation aus dem Oval Office seit seinem Amtsantritt vor fast zweieinhalb Jahren. Solche Reden aus dem Büro des Präsidenten in der Regierungszentrale, die zur besten Sendezeit live im US-Fernsehen übertragen werden, sind eine Rarität und großen Lagen und Krisensituationen vorbehalten.

Zahlungsunfähigkeit abgewendet

Eine drohende Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung ist nun abgewendet. Nach dem Repräsentantenhaus billigte am späten Donnerstagabend (Ortszeit) auch der Senat in Washington einen Gesetzentwurf, mit dem die staatliche Schuldenobergrenze in den USA bis 2025 ausgesetzt wird. Diese lag zuletzt bei rund 31,4 Billionen Dollar (etwa 29,1 Billionen Euro). Ohne den Schritt wäre der US-Regierung in wenigen Tagen das Geld ausgegangen. Es galt als Formalie, dass Präsident Joe Biden das Gesetz mit seiner Unterschrift in Kraft setzt.

Mit dem abschließenden Votum im Kongress endete eine lange politische Zitterpartie, die in den USA und darüber hinaus große Sorgen vor einer wirtschaftlichen Krise ausgelöst hatte. Bis zuletzt hatten die Demokraten von Präsident Biden mit den Republikanern erbittert um einen Kompromiss gerungen. Ein Zahlungsausfall der weltgrößten Volkswirtschaft hätte eine globale Finanzkrise und einen wirtschaftlichen Abschwung auslösen können. Die politische Hängepartie in Washington sorgte daher auch an Börsen für Unruhe. Die Einigung machte sich nun auch am deutschen Aktienmarkt bemerkbar und versetzte die Anleger am Freitag in Kauflaune.

US-Finanzministerin Janet Yellen äußerte sich deshalb erleichtert über die Einigung. „Dieses Gesetz schützt das volle Vertrauen und die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten und bewahrt unsere finanzielle Führungsrolle, die entscheidend ist für unser Wirtschaftswachstum und unsere Stabilität“, hieß es in einer Mitteilung. Ein Zahlungsausfall hätte das Land unter anderem Millionen Arbeitsplätze kosten können, schrieb sie. Zuvor hatte Yellen gewarnt, dass die Regierung am Montag zahlungsunfähig werden könnte.

Der Deal

Biden und der republikanische Vorsitzende im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, hatten in den vergangenen Wochen in zähen Verhandlungen um einen parteiübergreifenden Kompromiss gerungen und erst am vergangenen Wochenende einen Deal präsentiert. Dieser sieht vor, dass der Umfang des Bundeshaushalts, den die Demokraten unter Biden vergrößern wollten, faktisch eingefroren wird. Dafür werden die Budgets vieler Bundesbehörden und Ministerien angepasst. Die Republikaner konnten auch durchsetzen, dass Empfänger bestimmter Sozialleistungen einen Job nachweisen müssen. Die Demokraten wollten die staatlichen Einnahmen eigentlich durch die stärkere Besteuerung von Reichen erhöhen. Dagegen wiederum stemmten sich die Republikaner.

Mit dem Deal sind viele Demokraten wie auch Republikaner unzufrieden. Linke Demokraten beklagen etwa Kürzungen im sozialen Bereich. Rechten Republikanern gehen die Einsparungen nicht weit genug. Und auch viele moderate Politiker aus der Mitte beider Parteien sind keineswegs begeistert. Angesichts der drohenden dramatischen Konsequenzen durch einen Zahlungsausfall stimmten letztlich jedoch ausreichend Kongressmitglieder aus beiden Lagern für den Deal und sicherten so die nötige Mehrheit im Parlament.

Nach Schätzungen des unabhängigen Budgetbüros des US-Kongresses wird die Einigung das Haushaltsdefizit in den kommenden zehn Jahren um etwa 1,5 Billionen Dollar reduzieren. Dies trage eigentlich nur wenig zum Haushaltsausgleich bei, so die „Washington Post“. In einem Meinungsstück schrieb die Zeitung, dass es für den Kongress eigentlich eine Routineangelegenheit sein sollte, die Schuldengrenze anzuheben oder auszusetzen. „Den USA und der Weltwirtschaft hätten die Spannungen über einen möglicherweise katastrophalen Zahlungsausfall erspart werden sollen.“

Die Abstimmung

Eine parteiübergreifende Mehrheit im Senat stimmte nun für den Gesetzentwurf, mit dem die Schuldenobergrenze bis 2025 ausgesetzt wird, während zugleich die staatlichen Ausgaben in den kommenden zwei Jahren beschränkt werden. 63 von 100 Senatoren verhalfen dem Entwurf zur nötigen Mehrheit, darunter 46 Demokraten und 17 Republikaner.

Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, äußerte sich erleichtert. „Wir haben einen katastrophalen Zahlungsausfall verhindert“, sagte er. Dabei hätten vor allem die Demokraten die Einigung über die Ziellinie getragen, denn in beiden Kongresskammern hätten mehr Demokraten als Republikaner für den Deal gestimmt.

In einer seltenen gemeinsamen Erklärung versicherten Schumer und der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, die Einsparungen schmälerten nicht die militärische Stärke der USA: „Die Vereinbarung schränkt nicht die Möglichkeiten des Senats ein, zusätzliche Mittel für Notfälle bereitzustellen, um sicherzustellen, dass unsere militärischen Fähigkeiten ausreichen, um China, Russland und unsere anderen Gegner abzuschrecken.“

Senatoren beider Parteien hätten mit ihren Stimmen einen Zahlungsausfall verhindert, betonte Biden. „Gemeinsam haben sie einmal mehr bewiesen, dass Amerika eine Nation ist, die ihre Rechnungen bezahlt und ihren Verpflichtungen nachkommt - und dies immer tun wird.“

Das Gezerre davor

Der Hintergrund des Schulden-Dramas: In den USA legt das Parlament in unregelmäßigen Abständen eine Schuldenobergrenze fest und bestimmt damit, wie viel Geld sich der Staat leihen darf. Diesmal artete das Prozedere aus in erbittertes parteipolitisches Gezerre und ideologische Grabenkämpfe zwischen Demokraten und Republikanern.

Die Republikaner, die seit Januar eine Mehrheit im Repräsentantenhaus haben, verweigerten über viele Wochen eine Anhebung der Schuldenobergrenze und verlangten deutliche Kürzungen der staatlichen Ausgaben. Sie argumentierten, die Regierungsausgaben seien außer Kontrolle und hätten ein verantwortungsloses Ausmaß angenommen. Die Demokraten wiederum warfen den Republikanern vor, ein ökonomisches Desaster zu riskieren, nur um sich politisch zu profilieren.

Ausblick

Die Ratingagentur Fitch droht der USA trotz Einigung im Schuldenstreit weiter mit Herabstufung der Topnote. Man sei der Ansicht, dass „wiederholte politische Patt-Situationen um die Schuldenobergrenze“ und ihre Aussetzungen erst „in letzter Minute“ das Vertrauen schwäche, teilte die Ratingagentur heute mit.

Die Kreditwächter behielten zwar nun weiter das Top-Rating „AAA“ für die USA bei, beließen den Ausblick für die Kreditwürdigkeit aber auf „negativ“. Man beabsichtige, dies voraussichtlich im dritten Quartal aufzuheben. Vergangene Woche hatte Fitch im Zuge des Schuldenstreits erstmals mit der Abstufung gedroht.