Jena. Der Naturwissenschaftler Frank Jauch geht für die SPD im Bezirk Gera in die Volkskammer

Frank Jauch, Jahrgang 1951, erinnert sich an „wilde Zeiten“ im Herbst 1989. Er hatte Physik studiert, „war im Forschungszentrum für Bodenfruchtbarkeit für die Software zuständig und steckte mitten in der Doktorarbeit“, erklärt er. Bald wird sich alles ändern: „Die Zeiten haben mich motiviert, mich politisch zu engagieren. Ich wollte mich unbedingt einbringen“, sagt Jauch im Rückblick.

Zunächst tritt er in Jena dem Neuen Forum bei; Ende Oktober geht er in die SDP; so heißen die Sozialdemokraten in der DDR. Er kandidiert im Bezirk Gera für die Volkskammer. Das Ergebnis bei der Wahl am 18. März 1990 ist mau. Jauch erinnert an die Hoffnung, dass die SPD den Ministerpräsidenten in der DDR würde stellen können. „Die Allianz für Deutschland und das Konzept von Helmut Kohl waren erfolgreicher“, sagt er.

Für einen Fehler hält er im Rückblick, dass die SDP im Osten so schnell Teil der West-SPD werden will. Zudem schreckt potenzielle Wähler ab, dass Parteichef Ibrahim Böhme kurz vor der Wahl als Stasi-Zuträger enttarnt wird.

Jauch hofft zunächst, dass die freigewählte Volkskammer drei, vier Jahr Zeit auf dem Weg zur Einheit hat. „Dass es dann so schnell gehen würde, daran hat zum Zeitpunkt der Wahl niemand gedacht“, sagt er. Jauch erinnert daran, dass die SPD-Abgeordneten hoffen, „einen wesentlich stärkeren politischen Impuls in den Wiedervereinigungsprozess bringen zu können.“ Jauch geht von einem verfassungsgebenden Prozess aus, wie er im Grundgesetz steht. Aber bald muss er feststellen: Es gibt keine politischen Mehrheiten dafür. „Meines Erachtens hätte das aber Deutschland und auch Europa sehr gut getan.“

Das Wahlergebnis vom 18. März 1990 hat aus Jauchs Sicht weitere Langzeitfolgen: Die politischen Machtstrukturen der DDR konnten nicht beseitigt werden. Er zielt auf das Vorhaben, sowohl SED-PDS als auch Blockparteien zu enteignen. Weil das unterbleibt, hat aus Jauchs Sicht vor allem auch die CDU bei den Landtagswahlen im Oktober 1990 einen administrativen Vorteil; nicht zuletzt übrigens deshalb, weil sie die mitgliederstarke Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) aufnimmt. Die SPD steht als neue Partei ohne Partner da. „Dass wir uns mit einer ehemaligen Blockpartei verbünden, das kam nicht infrage“, macht er für die damalige SPD klar. „Aber am Ende muss man sagen: Das war ein strategischer Fehler.“ Im Nachhinein müsse auch als Fehler bewertet werden, dass die SPD kategorisch die Aufnahme vormaliger SED-Genossen ablehnt. „Es gab da durchaus honorige Menschen, die sehr mutig den Erneuerungsprozess mitgestaltet haben“, sagt er.

Jauch will zunächst dem Einheitsvertrag nicht zustimmen, weil dort die Gründung von Stadtwerken hintertrieben werden soll. Für ihn ist das „ein ganz zentraler Konflikt“. Erst später wird den Kommunen im Osten höchstrichterlich dieses Recht zugestanden. Dass Jauch doch „schweren Herzens“ am 23. August für die Einheit stimmt, ist seiner legendären Parteikollegin Regine Hildebrandt (1941 - 2001) geschuldet. Sie hat die Regelungen für die Ost-Rentner mitverhandelt und warnt, dass die Rentenformeln bei neuerlichen Verhandlungen schlechter ausfallen würden. „Das war ein starkes Argument zu sagen: Stimmen wir dem Ding doch zu.“

Im Oktober 1990 kandidiert er direkt für den Landtag und schafft es nicht, weil er das Gerangel um einen vorderen Listenplatz ablehnt. Frank Jauch wechselt in die Verwaltung: zunächst ins Wirtschaftsministerium, dann für 18 Jahre als Finanzdezernent zur Stadt Jena, ehe er 2018 pensioniert wird.