Berlin/Sondershausen. Vor 30 Jahren: Vera Lengsfeld wird als Spitzenkandidatin der Grünen in die Volkskammer gewählt. Inzwischen setzt sie in der CDU auf die Werteunion

Vera Lengsfeld, Jahrgang 1952, zog 1990 unter ihrem damaligen Nachnamen Wollenberger in die Volkskammer ein – und zwar für die Partei Grüne/UFV. Die gebürtige Sondershäuserin, die bereits als Bürgerrechtlerin einen Namen hatte, war dem Wahlbezirk Berlin zugeteilt.

Wie kam es dazu, dass Sie für die Volkskammer aufgestellt wurden?

Ich bin von der neu gegründeten Grünen Partei der DDR gebeten worden, die Spitzenkandidatur für die Volkskammerwahl zu übernehmen. Damals traten alle Parteien mit DDR-Listen an.

Welche Themenschwerpunkte waren Ihnen während Ihre Volkskammerzeit wichtig?

Mein Themenschwerpunkt war Abrüstung. Als stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses habe ich mich mit der Umstrukturierung der Nationalen Volksarmee befasst. Diese Arbeit habe ich dann im Bundestag fortgesetzt, als es um die Auflösung der NVA ging. Für Thüringen war wichtig zu erreichen, dass die Truppenübungsplätze im Hainich in die zivile Nutzung überführt wurden. Das ist mir durch hartnäckige Überzeugungsarbeit gelungen.

Welches Ereignis aus dieser Zeit scheint Ihnen besonders prägend?

Besonders prägend war die Erfahrung, dass wir in der Volkskammer saßen und neue Gesetze machten, während Tag für Tag draußen die Demonstranten uns aufforderten, das zu unterlassen und statt dessen für eine schnelle Vereinigung zu arbeiten. Die zweite sehr eindrückliche Erfahrung war, dass ich von rebellierenden Gefangenen in den Strafvollzugsanstalten Rummelsburg und Brandenburg als Vermittlerin angefordert wurde. Sie hatten zu mir – der ehemaligen politischen Gefangenen – mehr Vertrauen, als zu andern Politikern wie den damaligen Innenminister Diestel.

Viele wollten den schnellen Weg zur Einheit. Aber war das auch politisch richtig?

Der schnelle Weg in die Vereinigung war, um die Kanzlerin zum zitieren, alternativlos.

Sie haben in den vergangenen viereinhalb Jahrzehnten politisch fast die ganze Bandbreite erlebt, waren ab 1975 Mitglied der SED, die Sie Anfang der 1980er zwangsweise verlassen mussten, dann ab 1989/90 zunächst bei den Grünen und gingen dann zur CDU. Sind Sie politisch inzwischen angekommen? Und wenn ja: wo?

Ich konnte mit dem Begriff „politische Heimat“ nie etwas anfangen. Ich habe mir immer neue Verbündete gesucht, um das durchzusetzen, was ich für richtig hielt. Ich bin von den Grünen zur CDU gegangen, als die Grünen Thüringen beschlossen, mit der umbenannten SED, damals hieß sie PDS, Koalitionen einzugehen, um an die Macht zu kommen. Heute gibt es gewichtige Stimmen in der CDU, die Koalitionen mit der SED-Linken nicht mehr ausschließen. Dagegen werde ich mich positionieren, wie damals bei den Grünen. Deshalb unterstütze ich die Werteunion.

Die einzige erfolgreiche Vertreterin der Grüne/UFV in Thüringen bei der Volkskammerwahl 1990 war im Bezirk Erfurt Christine Grabe, Jahrgang 1948. Sie hatte sich in Eisenach seit Mitte der 1980er Jahre in der oppositionellen Gruppe „Frauen für den Frieden“ engagiert und wirkte beim Bürgerkomitee mit. Von 1990 bis 1994 gehörte sie dem Thüringer Landtag an. Sie ist Ende 2016 in Eisenach verstorben.