Weimar. Olaf Thees gehörte von März 1990 für die CDU der frei gewählten Volkskammer an – und wurde dann Versicherungsvertreter.

Olaf Thees hätte gerne länger Politik gemacht. Doch mit der Bundestagswahl im Dezember 1990 war für den CDU-Mann Schluss. Irgendjemand hatte seine Unterlagen zur Anmeldung als Kandidat für die Landtagswahl in Thüringen 1990 verschlampt – und so wurde aus dem vormaligen Bürgermeister in Lutter im Eichsfeld nach einem halben Jahr Volkskammer und zwei Monaten Bundestag ein Versicherungsvertreter. 30 Jahre später ist er wegen Erwerbungsfähigkeit verrentet.

Thees sagt am Telefon, er hätte es damals den Schritt in der Selbstständigkeit vielleicht langsamer angehen sollen. „Ich hätte mit meinen Ausbildungen vieles machen können. Aber wir hatten damals nicht die Erfahrung.“ Und als junger Familienvater mit zwei kleinen Kindern und mitten im Bauen, die Frau arbeitslos, sah er für sich nur diesen Schritt, um nicht plötzlich arbeitslos zu sein.

Thees, Jahrgang 1958, hatte Agrotechniker und Mechanisator gelernt. Nach dieser handwerklichen Ausbildung im Agrarbereich und dem Besuch der Schule für Staatsrechtswissenschaften in Weimar als hat er als ganz junger Mann 1981 in Lutter im Eichsfeld das Amt als CDU-Bürgermeisters übernommen. Thees, der aus der Nähe von Erfurt stammte und in Apolda gelernt hatte, stellte sich der Aufgabe: „Ich war der jüngste Bürgermeister der DDR“, sagt er. Natürlich wurde er genau beäugt. „Nicht ganz einfach“ sei das damals gewesen, aber er fand schnell Zugang. Das schwarze Lager sei dort verbreiteter gewesen als das rote. Und angesichts der Lage im Lande sei 1989 vieles hochgekommen: „Ich habe auch ein bisschen mitgewirkt“, sagt er – und so kam er auf Platz 2 hinter Werner Henning – und rechnete sich eigentlich wenig Chancen aus. „Mit diesem hohen Ergebnis für die CDU habe ich nicht gerechnet“, sagt er.

Seine Aufgabe als Bürgermeister musste er als neuer Volkskammer-Abgeordneter abgeben. Sein Spezialgebiet als Politiker wurde der Verfassungsschutz. „Am Belastendsten war, was wir über die Stasi erfahren haben, zum Beispiel, dass Familien Kinder weggenommen wurden“, erinnert er sich. Insgesamt sei all das, was auf die Volkskammer zukam, wie „eine Lawine“ gewesen. „Wir waren ja alle Amateure. Wir haben täglich 12, 13 Stunden gearbeitet, wurden im Sinne der Menschen etwas schaffen und am Wochenende hieß es: Was habt Ihr denn da wieder gemacht! Es war wirklich eine schwierige Zeit.“

Thees gehörte mit der Wiedervereinigung zu jenen 144 Volkskammer-Abgeordneten, die nach dem Ende der DDR von Oktober bis zur Bundestagswahl im Dezember 1990 nach Bonn wechselten.

Auf Gemeindeebene blieb CDU-Mann Thees auch nach seinem Abschied aus der großen Politik engagiert – und wenn er heute zurückblickt, fällt ihm eine Situation mit CDU-Chef Helmut Kohl ein, die von der Weitsicht des damaligen Regierungschefs handelt. Kohl kam – kurz nach dem Treffen mit Michail Gorbatschow -- in die Fraktion und sagte den Abgeordneten, es werde „20 bis 25 Jahre mindestens dauern, bis wir einigermaßen eine Angleichung erreichen“. Er habe damals gedacht: Um Gottes Willen, das wird angesichts der großen Erwartungshaltung im Osten den nächsten großen Ärger geben.

„Wenn ich heute zurückblicke, haben wir zwar zu meinem großen Bedauern noch nicht die Angleichung, aber trotzdem kann das deutsche Volk unwahrscheinlich stolz sein auf das, was erreicht worden ist“, sagt Thees. Er jedenfalls sei der Meinung, dass im Vergleich mit der Situation in anderen Ländern „auf hohem Niveau gemeckert“ werde. „Selbst bei der jetzigen Viruserkrankung bin ich der Meinung: Auch das werden wir schaffen.“