Erfurt. Die Premiere des Musicals „Der Name der Rose“ auf den Domstufen in Erfurt wurde am Freitag abgebrochen. Eine Kulanz-Lösung – wie nach der abgebrochenen „Troubadour“-Premiere 2017 – kommt diesmal nicht infrage.

Drei Tage, nachdem die Uraufführungspremiere des Musicals „Der Name der Rose“ auf den Domstufen wegen anhaltenden Regens abgebrochen werden musste, bekommen Erfurts Theaterleute den Unmut frustrierter Zuschauer zu spüren. Nicht nur, weil ihnen der Genuss eines begehrten Events entgangen ist, sondern vor allem, weil nicht mal die Eintrittsgelder erstattet werden. Juristisch ist der Fall indes offensichtlich: Demnach setzt das Kleingedruckte – die sogenannten AGBs – das Theater ins Recht.

Wörtlich heißt es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen: „Muss eine laufende Vorstellung abgebrochen werden, nachdem sie bereits 40 Minuten angedauert hat, (...) besteht kein Anspruch auf Erstattung des Eintrittspreises oder auf den Besuch einer anderen Vorstellung.“ Durchaus mit Bedauern berief Verwaltungsdirektorin Angela Klepp-Pallas sich gestern bei Nachfrage unserer Zeitung auf diesen Passus. Natürlich rangiere bei Ticketpreisen bis zu 86,50 Euro die Abendkasse im sechsstelligen Bereich, räumte sie freimütig ein. Doch betonte sie fast im selben Atemzug: „Unser Theater ist auf die Einnahmen angewiesen.“

Keine Chance auf eine Kulanz-Lösung

Gerade die Domstufen-Festspiele ver­ursachen immense Kosten für die Logistik, etwa für Bühnentechnik und -aufbauten und ebenso im Hinterbühnen- und Service-Bereich. Da kann man sich gravierende Einnahme-Ausfälle kaum leisten. In der 26-jährigen Geschichte der Festspiele habe man „wettermäßig alle Höhen und Tiefen“ durchlebt, erklärte Klepp-Pallas; das Risiko eines Vorstellungsabbruchs sei erfahrungsgemäß recht gering. Deshalb habe man auch darauf verzichtet, für solche Fälle eine Versicherung abzuschließen, sagte die Verwaltungsdirektorin. Denn es würde nach ihren Worten eine „utopische Summe“ verschlingen – die dann auf die Eintrittspreise umgelegt werden müsste.

Auch eine Kulanz-Lösung – wie nach der abgebrochenen „Troubadour-Premiere 2017 – kommt diesmal nicht infrage. Damals habe man Inhabern von Premieren-Tickets den Besuch einer späteren Vorstellung anbieten können, sagte Klepp-Pallas. Aber in diesem Jahr ist man bis zum Festival-Ende im September nahezu restlos ausverkauft.

Musical auf Erfurter Domstufen: Premiere fällt ins Wasser

Beim Deutschen Bühnenverein, dem das Erfurter Theater angehört, nimmt man prima vista an der aktuellen Vorgehensweise keinerlei Anstoß. Es müsse allen Beteiligten klar sein, dass bei Open-Air-Veranstaltungen das Wetter ein Risiko darstelle, hieß es. Einen Überblick darüber, wie man an anderen Bühnen und Festivals ver­fährt, habe man nicht.

Wir haben uns in der näheren Umgebung umgehört – und erreichten eine Sprecherin der Bad Hersfelder Festspiele. Auch dort stand vorigen Freitag mit „Funny Girl“ ein Musical auf dem Spielplan, auch dort war das Wetter nicht besser. Allerdings sind in der Stiftsruine die Zuschauerplätze überdacht, und auf der Bühne wollten die Akteure unbedingt weitermachen. „Wir brechen nur ab, wenn es zu gefährlich wird“, lautete ergo die Auskunft. „Im allgemeinen spielen wir weiter.“ Un­terdessen zog man mit dem Stück „A long way down“ von der Nebenspielstätte im Hof von Schloss Eichhof in eine nahegelegene Scheune um. Deren improvisierte Atmosphäre werde von den Besuchern geschätzt. Eintrittspreise erstatten die Bad Hersfelder, wenn eine Vorstellung im ersten Teil abgebrochen wird. Allerdings kann sich niemand erinnern, wann das zuletzt passiert ist.

In der Jenaer Kulturarena, einem der größten Open-Air-Veranstalter Thüringens, pflegt man eine ähnliche Erstattungsregelung. „Wir hatten in über 30 Jahren aber nicht mehr als 5 Abbrüche“, schaut Jonas Zipf, Werkleiter von JenaKultur, zurück. Die Bühne ist überdacht, die Zuschauerränge sind es nicht. So manches Konzert ist dort schon trotz ergiebigen Regens glücklich verlaufen, denn fast alle Besucher sind vorbereitet und nehmen Wetterunbill in Kauf. Dann tanzen tropfnasse Fans sich auf dem Platz vor der Bühne in Euphorie, und auf den Sitzplätzen rückt man zusammen. Regen-Konzerte sind mitunter die schönsten, weiß man in Jena – so wie vor 50 Jahren im legendären Woodstock.

Bei Gewitter, Starkregen, Sturm oder Windböen gibt‘s auch in der Saalestadt kein Pardon. Sobald eine Gefahr für Zuschauer oder Künstler entsteht, ist Schluss, betonte Jonas Zipf gestern. Darüber, wann dieser bittere Moment eintreten muss, entscheidet allein der Veranstaltungs- oder Bühnenmeister des Abends, erklärt Zipf. Denn im Zweifelsfall ist er sonst für Schäden in der persönlichen Haftung.