Jena. Ministerin erstaunt, dass Stadt sich erpresst fühlt wegen Naturerlebniszentrum

Jena „Erpressung? Das ist ein starkes Wort.“ - Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) gab sich auf Nachfrage erstaunt, wie heftig der Streit mit der Stadt um Fördergelder für die Einrichtung eines Naturerlebniszentrums auf dem Forst hochkocht (Wir berichteten am Freitag). So erwägt die Stadt eine Klage beim Landesverwaltungsamt gegen die vom Ministerium festgesetzten Bedingungen für die Ausreichung von 1,881 Millionen Euro. Das Geld aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR soll dem Umbau des Hauptgebäudes auf dem Schottplatz dienen. Und die Stadt fühlt sich erpresst, weil gemäß Zuwendungsbescheid des Ministeriums vom Dezember 2020 die geplante Unterbringung der „Natura-2000-Station Mittleres Saaletal“ im künftigen Naturerlebniszentrum plötzlich „dauerhaft und unentgeltlich“ sein soll, inbegriffen die Nutzung von Veranstaltungssräumen.

Passt das zur Umweltbildung?

Ihr liege am Gelingen des Projekts, sagte die Ministerin. Das habe sie schon vor Jahren gezeigt, als sie moderierte im Streit zwischen Stadt und Firma Schott um Verantwortlichkeiten für eine Alt-Deponie, die sich beim Schottplatz befindet. Mit Klärung dieser Frage war der Weg frei für Planungen zum Naturerlebniszentrum. Und: Ihr Ministerium habe sichergestellt, dass die 1,88 Millionen Euro nach Jena fließen, ohne dass die Stadt den üblichen verpflichtenden Eigenanteil beibringen muss, sagte Anja Siegesmund. Aus ihrer Sicht geht es im Kern um nichts Riesiges: um 45 Quadratmeter Büroraum mit einer Monatsmiete von 220 Euro, was in 25 Jahren 68000 Euro ausmachte. Auf eine erste Intervention des Jenaer Oberbürgermeisters hat das Ministerium nach Anja Siegesmunds Worten bekundet, „der Stadt entgegenzukommen“. So übernähme das Ministerium etwa die Betriebskosten für die Natura-2000-Station.

„Natura 2000“ ist ein Thüringer Netzwerk zum Schutz von Flora-Fauna-Habitat- und Vogelschutzgebieten. Dazu wies die Ministerin Kritik aus der Stadt zurück, „Natura 2000“ habe wenig zu tun mit dem Konzept der Umweltbildung im künftigen Naturerlebniszentrum. Für das Büro würden zwei Leute vom Land bezahlt, die Naturschutzprojekte vor Ort organisieren und auch „Projektmittel für die Stadt an Land ziehen“, sagte die Ministerin.

Geld muss 2021 verbraucht sein

Die Stadt hatte mit ihrem Eigenbetrieb KSJ und dem Stadtforst an der Spitze Vorleistungen von über 190000 Euro eingebracht, um die Planung für das Naturerlebniszentrum anzutreiben. Kleine Gastronomie, dazu Ausstellungen, Informations- und Ausbildungsofferten wie auch Büros der Stadtforstverwaltung – all das ist geplant. Indessen muss das Fördergeld bis Ende 2021 ausgegeben sein.

Möge auch noch „intensiv über Nachbesserungen“ verhandelt werden, so steht für Bürgermeister Christian Gerlitz (SPD) fest: „Einen Fall in der Form habe ich noch nicht erlebt.“ Das sei wohl der Versuch, Kostenteile einer Landesaufgabe langfristig der Kommune aufzubürden. Das sei aus Sicht des Rechtsamtes „aus mehreren Richtungen rechtswidrig“, sagte Gerlitz. Das Ministerium habe die Stadt mit ihren Vorleistungen anderthalb Jahre arbeiten lassen, um dann mit diesen neuen Forderungen „um die Ecke zu kommen“. Damit werde Grundsätzliches berührt, sagte Gerlitz. Die Stadt müsse Absprachen vertrauen können, so dass nicht verspätet „solche Fallstricke“ auftauchen. Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) sagte auf Anfrage, die Stadt stehe vor der Frage, ob sie den Dreh der Ministerin juristisch überhaupt mittragen dürfte. Er hoffe auf Klärung ohne Einsatz von Rechtsmitteln.