Jena. 30 Jahre Jugendamt: Pädagogischer Beratungsdienst hilft über die Betriebsblindheit hinweg

Die Mahnungen mehren sich mit jedem Pandemie-Tag und seinen Einschränkungen: Denkt an die Folgen für die Kinder! Insofern könnte der „Pädagogische Beratungsdienst“ im Team Kindertagesbetreuung beim Fachdienst Jugend und Bildung der Stadt wegen Corona eher noch mehr Arbeit bekommen.

Nach Beschreibung von Fachdienstleiterin Christine Wolfer war die Beratung über viele Jahre und bis Ende 2019 vom Verein Querwege betrieben worden. Seither kümmern sich nach der alle vier Jahre fälligen Neuausschreibung Teamleiterin Anja Schreiter sowie ihre Kolleginnen Sandra Kaczmarek und Christin Dietrich um das Angebot. - Eine gemäß Kindergartengesetz zu 100 Prozent und in Jena mit jährlich 110000 Euro landesfinanzierte Pflichtaufgabe der Kommune.

Die Sprache des Beißens

Der Beratungsdienst richte sich an Erzieherinnen, an Erzieher und deren Schützlinge der Altersgruppe „0 bis 6“, berichtet Anja Schreiter. Immer drehe es sich um besonderen Förderbedarf, um Verhaltensauffälligkeiten, um Probleme bei der Eingewöhnung, wenn etwa ein Kind von der Tagespflege in den Kindergarten wechselt. Indessen sei der Service keine Kontrolle, sondern Beratung. Manchmal würden schon praktische kleine Tipps helfen, sagt Anja Schreiter. Beispiel: Ein Kind fällt auf, wie es über ein gewisses normales Maß hinaus versucht, andere Kinder zu beißen. Grund könne schon die Beengtheit eines Garderobenraumes sein, weil sich kleine Kinder nicht anders ausdrücken können.

Zum Beratungsdienst gehört vorm Schulbeginn die empfehlende Wegweisung in Richtung Kinderarzt oder Logopädie oder hin zu den Möglichkeiten, Entwicklungstests zu machen.

Zeit nehmen fürs Beobachten

„Unser Angebot ist sehr niedrigschwellig“, sagt Sandra Kaczmarek, die staatlich anerkannte Erzieherin und Diplom-Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin ist. „Wir gehen mit dem Einverständnis der Eltern in die Gruppen rein, sind dann die, die von außen kommen. Das ist ein bisschen wie Detektivarbeit.“ Ganz wichtig bleibe, dass sich einmal die Zeit für die Beobachtung des Kita-Alltags genommen werden kann, erläutert die Erziehungs- und Sportwissenschaftlerin Christin Dietrich. „Wir setzen uns an den Rand und nehmen uns diese Zeit.“ Es sei doch „ein bisschen was Normales“ für die Pädagogen-Teams in den Kitas, hier und da betriebsblind zu sein. Interessant wiederum, wie sich die drei Fachfrauen einig sind: Hilferufe kämen eher aus jenen Häusern, die für ihre gute pädagogische Arbeit schon bekannt seien. Mag also sein, dass dort Christine Wolfers grundlegende Mahnung verinnerlicht worden ist: Wartet nicht, bis es euch richtig komisch vorkommt! Das schließe die Möglichkeit ein, dass eine Erzieherin etwas als schlimmer wahrnimmt, als es anscheinend ist.

Als sehr angenehm empfinden die Frauen vom Pädagogischen Beratungsdienst den in Jena recht großen Zuspruch zu fachlichem Austausch. Voriges hätten sich zum Beispiel 50 Leute beim Fachtag „Kindliche Sexualität“ gemeldet, der das Augenmerk etwa auf Grenzen der Übergriffigkeit gerichtet hatte. Oder: Drei- bis viermal im Jahr trifft sich der Arbeitskreis Inklusion, in dem zum Beispiel die Einzelfälle auffälliger Kinder angeschaut und Ideen zur Unterstützung ausgetauscht werden.