Berlin. Die Zahl der Mogelpackungen ist 2023 auf einen Rekord gestiegen. Das Sieger-Produkt hat beim Markenwechsel versteckt den Preis erhöht.

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat in Supermärkten und Discountern im vergangenen Jahr erstmals 104 Lebensmittel und Drogerieartikel wegen verdeckter Preiserhöhungen zu Mogelpackungen ernannt. Das sind 37 Prozent mehr als 2022, damals waren es 76 Produkte. Betroffen sind vor allem Süßwaren, Fertigprodukte, aber auch vegetarische Lebensmittel. Oft wurden Füllmengen verringert, bei gleichbleibenden Preisen. Nun haben rund 21.000 Verbraucher in einer Online-Abstimmung unter fünf Artikeln die Mogelpackung des Jahres gewählt: die Brotchips Tuc Bake Rolls des Unternehmens Mondelez.

Mondelez setzt auf den sogenannten Markenwechsel-Trick. Der Konzern bietet seit 2023 Brotchips nicht mehr unter seiner Marke 7days an, sondern unter Tuc mit weniger Inhalt. Dadurch sind die Bake Rolls mit Meersalz um mindestens 127 Prozent teurer geworden, so die Verbraucherzentrale. Der Inhalt schrumpfte von 250 auf 150 Gramm, der Verkaufspreis kletterte von 1,39 Euro auf 1,89 Euro. Bei manchen Händlern kostet das Produkt schon 1,99 Euro. Das Aussehen, die Rezeptur und die Nährwerte der Brotchips haben sich, abgesehen vom Salzgehalt, dabei praktisch nicht verändert.

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„Mit diesem dreisten Marketingtrick führt der Milliardenkonzern Mondelez seine Kundinnen und Kunden an der Nase herum und schröpft sie nach allen Regeln der Kunst“, kritisiert der Lebensmittelexperte Armin Valet von der Hamburger Verbraucherzentrale. Der Verbraucherschützer fordert endlich konkrete Schritte der Politik: „Obwohl das Problem seit Jahren bekannt ist, schützt die Politik Verbraucherinnen und Verbraucher nicht vor den Tricksereien der Unternehmen“, meint Valet.

Preise: Packungen sollten randvoll gefüllt sein

Hersteller müssten verpflichtet werden, ihre Packungen prinzipiell bis zum Rand zu füllen, fordert Valet. Damit hätten nicht nur die Füllmengentricksereien ein Ende, sondern es würden auch viele wertvolle Verpackungsressourcen eingespart. „Derzeit sind in der Regel bis zu 30 Prozent Luft in der Packung erlaubt, in manchen Fällen sogar mehr.“ Auch Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) bezeichnet Mogelpackungen in Zeiten hoher Inflation als „großes Ärgernis“. Das Verbraucherschutzministeriums (BMUV) hat dazu eine Gesetzesnovellierung vorgeschlagen, wonach bei verringertem Inhalt auch die Verpackung eines Produkts schrumpfen soll, das allerdings von der FDP blockiert wird.

Zudem sollten Unternehmen verpflichtet werden, Mengenreduzierungen auf den Packungen anzugeben. „Eine Kennzeichnung der alten und neuen Füllmenge sowie der prozentualen Reduzierung auf der Packung wäre die beste Lösung“, so Valet.

Preise: Mit diesen Tricks werden Preise indirekt erhöht

Das sind laut Verbraucherzentrale die beliebtesten Tricks von Lebensmittelindustrie und Handel, um Preise verdeckt zu erhöhen:

  1. Shrinkflation-Trick: Bei gleicher Packungsgröße und identischem Preis schrumpft der Inhalt eines Produkts. So reduzierte beispielsweise das Unternehmen Katjes die Füllmenge vieler Fruchtgummi-Packungen von 200 auf 175 Gramm. Das verteuerte die Süßigkeiten um mindestens 14 Prozent, so die Verbraucherzentrale.
  2. Mehr-drin-Trick: Ein Produkt enthält mehr Inhalt und suggeriert damit dem Käufer ein Schnäppchen zu sein. Doch die Ware wird zu einem deutlich höheren Preis verkauft. So wirbt Campari für seinen Aperol Spritz mit dem Hinweis „Neu jetzt mit mehr Inhalt“, aber unterm Strich ist das Mixgetränk 31 Prozent teurer, denn der Preis ist überproportional gestiegen.
  3. Günstiger-Trick: Bei einem Produkt wird nicht nur die Füllmenge gesenkt, sondern auch der Preis. Dabei entspricht der Preisnachlass aber nicht dem reduzierten Inhalt. Beim Bio Fencheltee von Aldi hat der Hersteller den Inhalt von 75 auf 40 Gramm reduziert, und der Preis sinkt von 1,49 Euro auf 1,19 Euro. Das entspricht trotzdem einem Preisaufschlag von 50 Prozent.
  4. Weniger-drin-und-teurer-Trick: Bei diesem Preistrick sinkt nicht nur die Füllmenge eines Produkts, sondern es wird zusätzlich der Preis erhöht. Auf diese Weise fällt der Preisanstieg deutlich höher aus. So auch bei der Mundspülung Listerine Total Care. Der Inhalt schrumpft von 600 auf 500 Milliliter, der Preis steigt vermeintlich moderat von 4,45 Euro auf 4,95 Euro. Doch das Produkt verteuert sich tatsächlich um fast 34 Prozent.
  5. Händler-Trick: Ein und dasselbe Produkt geht bei verschiedenen Einzelhändlern in Packungen mit abweichenden Füllmengen in den Verkauf – allerdings zum gleichen Preis. So kosten beispielsweise die Lachgummis von Storck bei Rewe und Budni 1,19 Euro, aber die Packung beim Drogeriehändler Budni hat 50 Gramm weniger Inhalt.
  6. Sammelpack-Trick: Sammelpackungen werden genutzt, um Produkte scheinbar preisgünstig, jedoch im kleineren Format anzubieten. Der Inhalt des Oreo Eis-Sammelpacks von Froneri schrumpfte 2023 von 4 auf 3 Stieleise mit jeweils 90 statt 110 Millilitern Eis. Das Eis wird dadurch bei gleichem Verkaufspreis 63 Prozent teurer.
  7. Skimpflation-Trick: Durch einen geringeren Anteil an wertgebenden Zutaten verschlechtert sich die Qualität eines Produkts. Die Hersteller sparen Kosten und erhöhen ihre Marge. Bei seinem Kærgården Mischstreichfett beispielsweise senkte Hersteller Arla den Anteil an Butter und Rapsöl und fügt stattdessen mehr Wasser zu.
  8. Dosier-Trick: Veränderte Dosiervorgaben führen dazu, dass größere Mengen eines Produkts verbraucht werden. Bei vielen Sirupsorten von Sodastream soll man seit 2023 pro Liter Getränk mehr Konzentrat einsetzen. Gleichzeitig schrumpfte die Füllmenge pro Flasche, sodass der Preis um 33 Prozent steigt.
  9. Markenwechsel-Trick: Die Einführung eines Produkts unter einer anderen Marke wird genutzt, um den Preis drastisch zu erhöhen. Mondelez produziert seine ehemaligen 7Days Brotchips seit 2023 unter der Marke Tuc als Bake Rolls. Die Rezeptur des Snacks wurde praktisch nicht verändert. Dennoch kosten die Chips 127 Prozent mehr.
  10. Größere-Packung-Trick: Die Verpackung wird größer, aber die Füllmenge kleiner – wie bei der Chocolat Amandes von Aldi. Der Umkarton der Schokolade ist seit vergangenem Jahr 22,5 statt 18 Zentimeter lang, der Inhalt aber von 184 auf 150 Gramm geschrumpft. Um insgesamt 30 Prozent teurer wird das Produkt, obwohl die Packung darüber hinwegtäuscht.
  11. Sorten-Trick: Verschiedene Sorten eines Produkts werden mit weniger Inhalt verkauft, so zum Beispiel der Große Bauer-Joghurt. Die Sorten Schokosplit Erdbeere und Pürierte Früchte stehen beispielsweise mit nur 225 Gramm pro Becher zum gleichen Preis im Regal wie andere Sorten mit 250 Gramm Inhalt. Der Preisaufschlag beträgt 11 Prozent.
  12. Füllmengenkarussell-Trick: Manche Hersteller verändern regelmäßig die Füllmengen ihrer Produkte. Das stiftet Verwirrung und erschwert den Preisvergleich, wie im Fall der Pringles Chips: 200, 170, 195, 180, 165, 190, 200 und 185 Gramm betrug der Inhalt pro Dose von 2006 bis 2022. Somit wurden sie bis zu 90 Prozent teurer in diesem Zeitraum.