Weimar/Gotha/Erfurt. Viele Firmenchefs, die in den 90er-Jahren gegründet haben, müssen nun die Übergabe organisieren.

Mehr als jedes zweite Unternehmen (53 Prozent) wird in Thüringen familienintern übergeben. Das geht aus Zahlen des Institutes für Mittelstandsforschung (IFM) Bonn hervor. Demnach stehen im laufenden Jahr sowie für 2021 und 2022 insgesamt 1.860 Firmen zur Übergabe.

Viele Gründer, die sich in den 90er Jahren selbstständig gemacht haben, müssen sich um eine Nachfolge kümmern, da der Ruhestand meist nicht mehr weit entfernt ist. Gelingt die Übergabe im familiären Umfeld nicht, werden andere Lösungen gesucht. Knapp ein Drittel der Inhaber übertragen ihre Firmen an externe Führungskräfte oder an Interessenten von außerhalb. Etwa ein Fünftel löst die Nachfolge unternehmensintern.

Jede zehnte Firma ist nicht übergabefähig und wird aufgrund schlechter Zukunftsaussichten stillgelegt. Das geht aus der IfM-Statistik für die Jahre 2020 bis 2022 für Thüringen hervor.

Die Corona-Pandemie wirkt sich indes auf die Nachfolgen aus. Ein Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt erklärte, dass insbesondere das Interesse an externen Übernahmen zurückgehe. Das führe dazu, dass viele Unternehmer die Nachfolgebemühungen zurückstellen. Der IHK-Sprecher sieht im Thema Unternehmensnachfolge eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe, denn es geht um den Erhalt der wirtschaftlichen Strukturen im Land“.

Ein Nachfolger für Lebenswerk in der Veranstaltungsbranche

Jürgen Schneider sucht einen Nachfolger für sein Lebenswerk. Das ist die „Omega Veranstaltungstechnik“ in Weimar. Die Firma gründete der 60-Jährige vor drei Jahrzehnten – im Jahr der Wiedervereinigung, als viele Menschen die Chance nutzten, sich etwas aufzubauen. Mittlerweile sucht er seit längerem einen Nachfolger. Denn der Ruhestand ist in Sichtweite. „Bisher hat sich noch keine Lösung gefunden“, sagt Schneider. Die Corona-Krise erschwere die Nachfolgebemühungen zusätzlich. Wenn es nicht anders gehe, dann würde er das Unternehmen auch über das Rentenalter hinaus führen.

Die Veranstaltungsbranche sei so gut wie tot, sagt er. Das mache es nicht attraktiv einen Betrieb zu übernehmen, der in diesem Bereich sein Hauptgeschäft habe. Die Firma hat ihren Sitz im Weimarer Norden. Dort baute Schneider Ende der 90er, als sich das Unternehmen stetig vergrößerte, das dreigeschossige Wohn- und Geschäftshaus: „Zum Glück ist die Immobilie komplett abbezahlt. Wir können uns deshalb nicht zurücklehnen, aber unsere laufenden Kosten bringen uns nicht um.“

Entscheidend für eine erfolgreiche Nachfolge: Verantwortung abgeben

Den Übergabeprozess hat Schneider erstmal auf Eis gelegt. Er wünscht sich, dass die Firma mit Wohn- und Geschäftshaus übernommen wird und er weiter dort wohnen bleiben kann. Am liebsten wäre ihm, er könne sich so wie er begonnen hat – nämlich Stück für Stück – auch aus dem Geschäft zurückziehen. „Wenn es soweit ist, bin ich bereit loszulassen“, sagt er.

Geht es nach Christian Lins, ist diese Bereitschaft entscheidend für eine erfolgreiche Nachfolge. 2014 übernahm er den Gothaer Betrieb für Selbstklebeprodukte, den sein Vater Volker Lins 1990 gründete. „Er konnte gut loslassen. Das ist sowieso das A und O bei diesem Prozess“, sagt Lins. Er habe seinen Vater trotzdem immer um Rat fragen können, aber alleiniger Entscheidungsträger sei er von Beginn an gewesen. Genauso, wie man lernen muss die Verantwortung abzugeben, sei es auch wichtig, die Belegschaft mitzunehmen, um selbst in der Firma anzukommen.

Nach dem Studium 2012 steigt der damals 31-Jährige zunächst für ein Jahr als Assistent der Geschäftsführung in das Unternehmen ein – bevor er sie übernimmt. Für ihn sei nicht von Anfang an klar gewesen, dass er den Betrieb fortführen würde. „Mein Vater hat mich nie in die Richtung gedrängt. Ich konnte mir das irgendwann selbst gut vorstellen, wollte aber erstmal einen Einblick bekommen“, erzählt Lins. Die Übernahme sei zum richtigen Zeitpunkt geschehen.

Verschiedene Möglichkeiten prüfen

Bevor die familieninterne Lösung feststand, habe man im Unternehmen vorgefühlt, ob es Mitarbeiter gibt, die auch Interesse an dieser Position zeigen. Das abzutasten sei allemal sinnvoll, denn so ließen sich mögliche Konflikte vorbeugen. Die gab es bei der Firma nicht. Obwohl sich einige Mitarbeiter erst daran gewöhnen mussten, nicht mehr den Senior als Ansprechpartner zu haben. „Da war mein Vater konsequent und hat auf mich verwiesen“, erzählt Lins.

Insgesamt sei die Übernahme gut verlaufen. 2018 wurde der Betrieb in der Kategorie „Erfolgreichste Firmennachfolger“ für den Thüringer Wirtschaftspreis nominiert. Gewonnen hat das Unternehmen zwar nicht, dennoch zeige es, dass man auf dem richtigen Weg sei. Den hatte auch Florian Frommeld gefunden, als er 2019 die externe Unternehmensnachfolge bei der Gesellschaft für internationale Wirtschaftsförderung und Management GmbH, in Erfurt antrat.

Beide Seiten müssen Verständnis füreinander zeigen

Gegründet wurde die Firma 1996 von Bernd Nennstiel. „Beide Parteien müssen versuchen sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen“, so Frommeld. Der Übernehmende müsse verstehen, dass nicht alles, was in den vergangenen Jahrzehnten gut funktioniert hat, über den Haufen geworfen werden kann. Damit stoße man sein Gegenüber nur vor den Kopf und die Verhandlungen seien beendet.

Umgekehrt müsse der Übergebende Verständnis zeigen, denn es sei nicht so, dass sich der Nachfolger nur in das gemachte Nest setzen kann. Vor ihm habe es über einen Zeitraum von fünf Jahren zahlreiche andere Interessenten gegeben, die nicht überzeugen konnten. „Man muss sich schon gegenseitig was gönnen können, das haben wir gut hinbekommen, erzählt Frommeld, der gebürtig aus dem Allgäu kommt. Während des Studiums in Jena fand er in Thüringen seine zweite Heimat.

Genau wie Lins, übernimmt er aber nicht sofort, sondern arbeitet erst ein Jahr in der Geschäftsführung mit. „Vor der finalen Vertragsunterzeichnung wollte ich einfach da sein, um am Alltagsgeschäft teilhaben zu können“, das sei dem heute 40-Jährigem wichtig gewesen. Denn das Vertrauen zueinander müsse aufgebaut werden, wenn das im engen Kreis funktioniert, färbt das auch auf die Mitarbeiter und Kunden ab.“ Von ihnen habe man durch die Übernahme und auch darüber hinaus glücklicherweise niemanden verloren.