Erfurt. Harry Belafonte war für viele Dinge bekannt. Musikalisch aber dominiert ein Album sein vielseitiges Schaffen. Christian Werner über „Calypso“.

An die 30 Alben hat Harry Belafonte in seinem langen Leben veröffentlicht. Eine Platte aber definiert und überlagert sein eigentlich breites Wirken als Musiker. Der US-amerikanische Sänger, aufgewachsen im New Yorker Stadtteil Harlem und auf Jamaika, veröffentlicht 1956 sein drittes Album „Calypso“ – es wird ein Millionenseller. Genauer: Es ist das erste Album, das eine sechsstellige Absatzzahl erreicht.

Ein beachtlicher Rekord, denn das Album als Kunst- und Vermarktungsform hat sich längst nicht etabliert. Singles sind immer noch das bestimmende Musik-Medium. Belafonte, dessen Eltern aus Jamaika und Martinique stammen, führt mehrere Wochen die Album-Charts an.

Belafonte nutzt Popularität als Aktivist für Menschenrechte

Ausgerechnet in Amerika, wo Farbige nicht die gleichen Rechte wie Menschen mit weißer Hautfarbe besitzen, wie Belafonte einst in einem Interview mit dem „Spiegel“ aus eigener Erfahrung berichtete. Seine Popularität nutzt er später als Aktivist für Menschenrechte, etwa für die Bürgerrechtsbewegung in den USA.

„Calypso“ öffnet also sprichwörtlich Türen. Und das Album trägt im Titel, was es ist: Die meisten der elf Songs sind im gleichnamigen, traditionellen Musikstil der Karibik gehalten. Allen voran Belafontes bekanntester Song „Day-O (Banana Boat Song)“. Fun Fact: Das jamaikanische Volkslied wird genau genommen nicht dem Calypso, sondern eher dem Mento zugeordnet.

Samtig-raue Ausnahmestimme

Die durchaus tröstlich stimmende Melodie mit seiner samtig-rauen Ausnahmestimme gesungen, beschreibt indes das harte Leben müder Hafenarbeiter. Songs wie dieser tragen dazu bei, dass seine Musik oft als schnulzenhaft abgestempelt wird. Das verstellt den Blick auf die musikalische Klasse Belafontes und seine oft ernsten Botschaften.

Das Cover des Albums „Calypso“ von Harry Belafonte.
Das Cover des Albums „Calypso“ von Harry Belafonte. © Rca Int./Sony

Belafonte hatte vor „Calypso“ bereits Hits wie „Matilda“ oder versuchte sich an „Unchained Melody“, debütierte gar mit einer Folk-Platte. Nach seinem Erfolgsalbum setzt er aber nicht erneut auf den Calypso, sondern veröffentlicht eine LP mit Standards wie „Hava Nageela“, „Danny Boy“, „Shenandoah“ oder eine verswingt-jazzige Version von „When the Saints go marching in“.

Belafontes "Calypso" beeinflusst die Folkszene

Wenig später nimmt er ein Blues-Album auf sowie eine Gospel-LP. Dem reinen Calypso widmet er sich eher selten und in Abständen von mehreren Jahren.

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Das Album „Calypso“ aber verbucht einen weiteren wichtigen Einfluss: Der Musikstil wird von der Folkszene adaptiert und der typische Rhythmus in vielen Songs des Genres bis in die Sechzigerjahre verwendet. Belafontes Song „Jamaica Farewell“ – ein weiterer Hit auf der Platte – wird noch Jahrzehnte später gecovert, etwa von Chuck Berry oder Carly Simon.

Harry Belafonte ist am 25. April 2023 mit 96 Jahren in Manhatten, New York gestorben.

Wir stellen in #langenichtgehört vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor.

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