Das Klenke-Quartett spielte im Weimarer Schießhaus.

Weimar. Fluch und Segen einer Tiefen auslotenden Modernität mag es sein, dass sie den harmlosen Genuss romantischer Rührseligkeit unterminiert. Doch fördert sie eine Fragilität und existenzielle Fragwürdigkeit des Menschlichen zu Tage, nicht ohne Unlösliches tröstend zu mildern. Selbst in Franz Schuberts frühem C-Dur-Quartett D 46, das er als experimentierfreudiger Internatsschüler schrieb, findet sich dieser Keim wahrhaft romantischen Wesens: gleich in der bizarren Chromatik des Adagio-Auftakts.

Die wird folglich vom Klenke-Quartett bei dessen Abo-Konzert im Weimarer Schießhaus nicht flugs wie eine einsame düstere Wolke verscheucht, sondern als rhythmisch nuanciertes, tonlich scharf differenziertes Fanal zum Ausbruch geführt. Unter diesem Vorzeichen waltet Wiener Temperament im Kopfsatz frei von jener nur zu oft von anderen zelebrierten Bräsigkeit, explosive, punktgenaue Tutti-Einsätze charakterisieren aufbegehrendes Ungestüm. Nicht einmal der eloquent melodische Vortrag im langsamen Satz bleibt ungebrochen ironiefrei, eine eherne, durchhörbare Präzision vitalisiert das Menuett und der vermeintlich schlagerhafte Gestus des Finales birgt in seiner dynamischen Faktur Widersprüche. Schon der junge ist eben der ganze Schubert. Da nimmt man nicht beim Heurigen Platz.

Ohne diese Vorgabe wäre das f-Moll-Quartett Schostakowitschs ein Fremdkörper im Programm gewesen. Nun wirkt es wie dessen geheimer Kern: mit seiner bohrend pulsierenden Motorik des Repetitionsmotivs, das das gesamte Werk, ein Epitaph für Wassilij Schirinskij, den 1966 verstorbenen Geiger des Moskauer Beethoven-Quartetts, durchzieht. Da werden von den vier Frauen diese technisch delikaten, schlanken Figuren, in denen man sich labyrinthisch verlieren könnte, mit brüsker Klarheit hingebungsvoll ausmusiziert, so dass daraus ein komplexer Organismus, eine luzide Bindung des Disparaten entsteht.

Und wie missverständlich hätte Brahms c-Moll-Quartett op. 51,1 ohne diesen Kontext klingen können! Die Binnenspannung der thematischen Verarbeitung im Kopfsatz, die ausladende, dank energischer Führung der Primaria niemals zerfallende Textur der Romanze und die von letztem Brahms- schen Zweifeln durchfurchte symphonische Milde des Finales offenbarten eben jene Impulskräfte, die Arnold Schönberg in diesem Wiener Vorgänger einen Progressiven erkennen ließen. - Wer einen solchen Quartettabend mit Annegret Klenke, Beate Hartmann, Yvonne Uhlemann und Ruth Kaltenhäuser in mailichem Abendlicht und morbide-heimeligem Charme des Schießhaus-Interieurs nie erlebt hat, der hat etwas fürs Leben versäumt.

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