Erfurt/Jena. In Thüringen werden Hebammen noch auf zwei Wegen ausgebildet – mit der Konsequenz unterschiedlicher Qualifikationen.

In Thüringen absolvieren derzeit etwa 100 junge Frauen – es sind tatsächlich ausschließlich Frauen – eine Ausbildung zur Hebamme. Dafür gibt es hierzulande zwei Wege: Zum einen die klassische Ausbildung an der Hebammenschule, also der Marie-Elyse-Kaiser-Schule in Erfurt (zirka 60 Frauen), zum anderen den Bachelor-Studiengang an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Dort werden seit dem Wintersemester 2014/15, als der Modellstudiengang eingerichtet wurde, alle zwei Jahre 20 Studenten angenommen.

Die Ausbildung an der Hebammenschule ist jedoch ein Auslaufmodell – das Nebeneinander zweier Ausbildungswege soll nicht länger geduldet werden. Denn künftig soll in Deutschland – wie in allen anderen EU-Mitgliedsstaaten auch – die Hebammenausbildung ausschließlich an Hochschulen stattfinden. Die Ausbildung wird dann generell nicht mehr nur drei, sondern vier Jahre dauern und außerdem statt des Realschulabschlusses die Hochschulreife oder eine abgeschlossene Ausbildung in einem Gesundheitsberuf voraussetzen.

Gründe für den Systemwechsel sind vor allem die wachsenden Anforderungen an den Hebammenberuf und die Benachteiligung der deutschen Hebammen innerhalb der EU. Denn bewerben sie sich im europäischen Ausland, sind ihre Abschlüsse nicht so viel wert wie die ihrer Berufskolleginnen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten – oft wird ihnen nur ein Arbeitsplatz mit niedrigerem Qualifikationsniveau angeboten. In einer Richtlinie fordert die EU deshalb die Überführung der Ausbildung an die Hochschulen bis zum Stichtag 18. Januar 2020.

Geht es allerdings nach dem Bundesrat, soll es für den Systemwechsel noch großzügigere Übergangsregelungen geben, als es ein im Mai vorgelegter Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform der Hebammenausbildung schon vorsieht. Entsprechende Forderungen formulierte die Länderkammer jüngst in einer Stellungnahme.

Für Annika Wanierke, 1. Vorsitzende des Hebammenlandesverbandes Thüringen, ist das – gerade mit Blick auf Thüringen – unverständlich: „Nicht nur, weil es schon eine Übergangsphase gab und aus unserer Sicht eine neue Frist von einem Jahr ausreichen müsste, um auf die Vollakademisierung umzustellen.“ Thüringen sei auch ein Vorreiter bei der Hochschulausbildung von Hebammen: „Wir sind mit dem Modellstudiengang in Jena wirklich Spitze.“ Warum es nicht möglich sein soll, für das künftige Regelstudium in kürzerer Zeit auf den bereits bestehenden Verwaltungsstrukturen des Modellstudiengangs aufzubauen, bleibt Wanierke ein Rätsel. Zumal der Gesetzentwurf durchaus vorsieht, für den praktischen Teil der Ausbildung Kooperationen mit den Hebammenschulen einzugehen und ihre Kapazitäten zu nutzen.

Der späte Start der Vollakademisierung geht aus Sicht des Landesverbandes Thüringen damit zu Lasten derjenigen, die ihren Abschluss an der Fachschule erwerben. Denn damit ergibt sich ein Gehaltsgefälle aufgrund der unterschiedlichen Qualifikationen.

Der Deutsche Hebammenverband schlägt deshalb einen niederschwelligen Zugang zum nachträglichen Erwerb des Bachelortitels für fachschulisch ausgebildete Hebammen vor.

Ungeachtet dessen will das für den Modellstudiengang zuständige Wissenschaftsministerium eine Erhöhung der Zulassungszahlen prüfen. Abweichend von der Zwei-Jahres-Regel werde zudem schon in diesem Herbst ein zusätzlicher Studiengang mit 20 Studenten eingerichtet, sagt ein Sprecher, der sich allerdings nicht zum Fortbestand der Hebammenschule äußern kann: Denn die Verantwortung dafür fällt in das Ressort des Bildungsministers – während wiederum das Gesundheitsressort für die grundsätzliche Frage zuständig ist, wie das Land die Hebammenausbildung regelt.