Weimar/Jena. Ein internationaler Sepsis-Kongress in Weimar führt Mediziner aus aller Welt zusammen. Pro Jahr gibt es allein in Deutschland bis zu 20.000 Sepsis-Tote.

Arne Trumann ist ein Überlebender: Der 52-jährige Familienvater aus Norddeutschland erlitt 2012 einen septischen Schock. Sein Leben hing am seidenen Faden.

Dass er überlebte, hat er vor allem einem Intensivmediziner zu verdanken, der zufällig an jenem Abend Notdienst hatte, als Trumanns Familie den Notruf wählte. Denn der Arzt hatte nicht nur den richtigen Verdacht, sondern leitete auch unverzüglich die nötigen Maßnahmen ein: Sein Patient wurde intensivmedizinisch behandelt. Die Genesung nahm zwar viel Zeit in Anspruch, infolge von Gewebeschädigungen verlor Arne Trumann zudem einige Fingerkuppen. Doch weil für ihn selbst Aufgeben nie eine Option war, will er jetzt anderen Betroffenen und ihren Angehörigen Mut machen und auch beschreiben, was genau in einem Sepsis-Patienten vorgeht. Deshalb hat Trumann, heute Vorstandsmitglied der Deutschen Sepsis-Hilfe, ein Buch geschrieben, das er auf dem gestern begonnenen 9. Internationalen Sepsis-Kongress vorstellt.

Ausrichter des alle zwei Jahre in Weimar stattfindenden Kongresses ist die am Universitätsklinikum Jena (UKJ) ansässige Deutsche Sepsis-Gesellschaft. Deren Ziel ist es, die Zahl der Sepsis-Infektionen und vor allem die der Sterbefälle – allein in Deutschland bis zu 20.000 pro Jahr – deutlich zu senken, indem die Erkrankung viel schneller diagnostiziert und als Notfall behandelt wird. Diesmal zählt der dreitätige Kongress mehr als 800 Teilnehmer aus 21 Ländern, darunter international renommierte Sepsisforscher.

Wie wichtig der Austausch ist, belegen zwei Beispiele: So wurde vor zwei Jahren in Weimar die Initiative für eine europaweite koordinierte Forschung zu den immunologischen Grundlagen der Sepsis-Entstehung und -Behandlung gestartet. Mehrere Dutzend Forscher aus etwa 15 Ländern, die Professor Ignacio Rubio vom UKJ zufolge „sonst nicht zusammengekommen wären“, sind an diesem interdisziplinären Projekt beteiligt und wollen künftig an einem Strang ziehen. In Kürze erscheint in einem Fachjournal ihre erste Veröffentlichung, die unter anderem die Lücken im Wissen über die Ursachen der Sepsis aufzeigt. Die Initiative will EU-Mittel beantragen, wie sie auch schon in das globale Netzwerk Remap-Cap fließen, einen Zusammenschluss von Medizinern aus zehn Ländern, die am bislang größten intensivmedizinischen internationalen Projekt beteiligt sind.

Gegenstand ihrer Forschung sind die Gefahren einer Lungenentzündungs-Pandemie. „Prinzipiell kann zwar jede Infektion zu einer Sepsis voranschreiten, Lungenentzündungen aber sind die häufigste Ursache“, sagt Mathias Pletz vom UKJ. Das Problem der klinischen Forschung sei, dass von der Idee zur Aufsetzung einer Studie bis zu deren Beginn meist ein Jahr vergeht. Das sei viel zu langsam. Da die nächste große Pandemie, auf die sich die Ärzte derzeit vorbereiten, eine von Infektionen der Atemwege sei, sei die Idee entstanden, eine fortlaufende internationale Studie durchzuführen, die permanent Patienten einschließt und zu Beginn einer Pandemie bereits läuft.

Zweite Besonderheit sei, dass erforscht werde, wie sich die unterschiedlich geschalteten Therapie-Prinzipien von der Antibiotikum-Gabe bis zur Beatmung gegenseitig beeinflussen, statt wie bisher nur sektoriert Fragen zu beantworten. Vorläufig finanziert sei die Studie für 6000 Patienten.