Mühlhausen. Vor 30 Jahren: Gundolf Gries wird als CDU-Mitglied in die Volkskammer gewählt und kehrt nach einem dreiviertel Jahr in seinen Beruf zurück.

Gundolf Gries – 1943 in Wanfried geboren und lange schon in Mühlhausen beheimatet – war bereits fast 30 Jahre in der Ost-CDU, als er im Winter 1989/90 für die Volkskammer-Liste vorgeschlagen wurde. Zunächst habe mancher gedacht, das Mandat könne ehrenamtlich und nebenberuflich wahrgenommen werden, erinnert sich Gries. Aber es stellte sich schnell heraus, wie viel Arbeit auf die Abgeordneten wartete.

Der große Zuspruch, den die CDU am 18. März erhielt, führte dazu, dass Gries eine kurze und zugleich prägende politische Laufbahn begann. Für ihn war klar: „Das Land braucht uns.“ Und: „Wir haben genügend im Vorfeld für die Wende gekämpft. Wir sind für den schnellen Weg zur Deutschen Einheit angetreten“, macht er Rückblick 30 Jahre später deutlich.

Der schnelle Weg zur Einheit sei für ihn aus seinem eigenen Erleben unumgänglich gewesen. „Ich habe genügend mitgemacht“, sagt er. Was genau hinter dieser Formulierung steckt, hat Gies beim Eichsfelder Forum 2015 zur Wende und zur Wiedervereinigung deutlich gemacht. Im Bericht der Lokalzeitung über diesen Abend stand damals, dass Gries auf das Schicksal seines Bruders Wolfgang hingewiesen habe, der 1974 versucht hatte, mit seiner Familie die DDR zu verlassen. Der Versuch scheiterte, Wolfgang Gries kam ins Gefängnis und starb 1975 in einem Haftkrankenhaus in Leipzig. Es sei, sagte Gundolf Gries damals und berief sich auf ein späteres Gutachten, fahrlässige oder grob fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge gewesen. Auch in einem Buch sei dieses Unrecht aufgegriffen worden.

Vor diesem Hintergrund nahm Gries für sich 1990 in Anspruch: „Jetzt erst recht“. Das beziehe er auf den Rechtsstaat und die Vergangenheitsaufarbeitung.

Gries gehörte zu denen, die zwischen Oktober und Dezember 1990 in den Bundestag entsandt wurden. Bei der Nominierung im Vorfeld des ersten gemeinsamen Bundestages, die damals in Eisenach stattfand, hatte dann allerdings Manfred Heise mehr Delegierte auf seiner Seite. Heise blieb bis 2002 im Bundestag, Gries ging in seinen Beruf zurück: Der Diplom-Ökonom, der bis 1990 Leiter der Außenstelle Mühlhausen der Zentralen Gehaltsstelle des Bezirkes Erfurt war, konnte in diese mittlerweile dem Land zugeordnete Gehaltsstelle zurückkehren. Später war er Verwaltungsdirektor und dann Geschäftsführer des Mühlhäuser Krankenhauses… Das alles liegt lange zurück für den 76-Jährigen.

Mit Blick auf seine Volkskammerzeit sagt er, dass für ihn die Staatsverträge zur Sozial- und Wirtschaftsunion und zur Deutschen Einheit sehr wichtig waren. Entscheidend aber sei der 2plus4-Vertrag gewesen. „Erst dadurch haben wir unsere Souveränität als Gesamtdeutschland erhalten“, erinnert er. Eine Notwendigkeit sei auch „die Wiedereinführung der Länder gewesen, um in den Föderalismus der Bundesrepublik einzusteigen“. Bei alledem dürfe nicht vergessen werden, dass auf diesem Weg die schnelle Zugehörigkeit zu Europäischen Union möglich wurde – anders als für andere vormalige Ostblock-Länder. Gries sagt: „Mancher osteuropäische Staat könnte aus dem Beispiel Deutschlands lernen, gerade auch bei der Aufarbeitung der Vergangenheit.“

Im Herbst 1990, als Deutschland wieder eins war, wurde Gundolf Gries Großvater. Seine Enkelin Katharina wird – nur wenige Tage nach dem Einheitstag – in diesem Oktober 30 Jahre alt.