Berlin/Boston. Dank Medikamenten erkranken Infizierte kaum noch an Aids. Eine wenige können sogar ganz auf Pillen verzichten. Wie ist das möglich?

Die Diagnose HIV-positiv hat in den letzten Jahren viel von ihrem Schrecken verloren. Dank hochwirksamer Medikamente haben infizierte Menschen gute Chancen auf eine normale Lebenserwartung bei guter Lebensqualität. Oft genügt schon die Einnahme von nur einer Tablette täglich, um die Vermehrung der HI-Viren im Körper zu stoppen. Mittlerweile setzt die Medizin auch auf Therapien, bei denen mehrere Medikamente gleichzeitig eingesetzt werden. Die Forschung macht auf diesem Gebiet schnelle Fortschritte – und nährt die Hoffnungen von weltweit etwa 38,4 Millionen Menschen, die mit dem HI-Virus leben müssen.

Schon seit etwa 20 Jahren ist Wissenschaftlern bekannt, dass es aber auch Menschen gibt, die gegen das Virus immun zu sein scheinen oder trotz Infektion auch ohne Medikamente nicht an Aids erkranken. Warum das so ist, haben Forscher der Harvard University in den USA nun genauer unter die Lupe genommen. Sie konzentrierten sich dabei auf das Immunsystem dieser sogenannten HIV-Controller und die hocheffizienten CD8+ T-Zellen. Diese arbeiten wie eine Art Immun-Polizei, fahnden nach infizierten Zellen, haften sich an diese an und machen sie unschädlich. Mediziner sprechen auch davon, dass sie diese in den "Zelltod" schicken.

Wie die Wissenschaftler herausgefunden haben, verfügen einige Menschen über besonders wirksame T-Zellen und benötigen deshalb auch nicht die Unterstützung von Medikamenten. Um ihre Erkenntnisse zu untermauern, untersuchten die Forscher die Lymphknoten von 40 Spendern, unter ihnen HIV-Controller, Infizierte, die Medikamente nehmen und Menschen, die nicht infiziert sind.

HI-Virus ist extrem mutationsfähig

Die Untersuchung von Lymphknoten erschien den Wissenschaftlern deshalb interessant, weil CD8+ T-Zellen Krankheitserreger dort normalerweise nicht so wirksam bekämpfen wie in anderen Teilen des Körpers. Umso erstaunter waren sie, als sie herausfanden, dass HIV-Controller auch in ihren Lymphknoten äußerst effektive T-Zellen besitzen. Nochmal interessanter wird diese Erkenntnis, wenn man bedenkt, dass das HI-Virus eine weit höhere Mutationsfähigkeit hat als etwa das Sars-COV2-Virus. SarsCov-2 und HIV zu vergleichen sei wie der Vergleich einer Schnecke mit einem Porsche, sagt etwa der Mediziner Nobert Brockmeyer, der auf HIV-Forschung spezialisiert ist. Die extreme Wandlungsfähigkeit des Virus habe es deshalb auch bisher verhindert, einen Impfstoff gegen HIV zu entwickeln.

Die Hoffnung der Wissenschaftler liegt nun darin, die CD8+ T-Zellen zu aktivieren und sie dazu bringen, in die Lymphknoten zu wandern. Außerdem interessiert sie der Unterschied zwischen Menschen, die von Geburt an Controller sind und solchen, die sich durch die Gabe von Medikamenten zu solche entwickelt haben. Sie hoffen eines Tages herauszufinden, wie CD8+ T-Zellen so trainiert werden können, dass sie selbstständig HI-Viren bekämpfen. (tok)