Heiligenstadt (Eichsfeld). In einem emotionalen letzten Wort hat Heiligenstadts Altbürgermeister Bernd Beck (CDU) vor dem Amtsgericht seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass er sich in den mehr als 22 Jahren im Amt nichts hat zu Schulden kommen lassen.

Als ein paar Minuten später Amtsrichter Henning Horstmeier am Mittwoch das Urteil verkündet, ist deutliche Erleichterung im Gerichtssaal zu vernehmen. Familienangehörige und frühere Weggefährten aus der Stadtverwaltung sitzen im Saal und hören, wie Richter Horstmeier verkündet: "Freispruch aus tatsächlichen Gründen". Beck war vorgeworfen worden, im Zuge des Jahre andauernden Verfahrens rund um zwielichtige Vorgänge bei der Kowo Obereichsfeld, die der Stadt und einigen Dörfern gehört, als Aufsichtsratschef der Kowo einen Gutachter manipuliert zu haben. Dieser Gutachter hatte das zunächst bei seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt, vor Gericht jedoch genau das Gegenteil behauptet - damit ist der Anklagevorwurf zusammengebrochen.

Staatsanwalt Dr. Joachim Becker - auch er beantragte einen Freispruch für Bernd Beck - erklärt unmittelbar nach Verkündung des Urteils auf Nachfrage: "Die Staatsanwaltschaft wird keine Rechtsmittel einlegen." Damit ist klar: Der Freispruch wird rechtskräftig. Für Staatsanwalt Becker stellt das Verfahren gegen den Altbürgermeister den Abschluss der Kowo-Affäre dar, in der die Staatsanwaltschaft Erfurt seit 2008 ermittelt und angeklagt hat. Neben dem früheren Kowo-Chef sind auch dessen Frau und deren Mitgeschäftsführer einer Fensterbaufirma verurteilt worden. Verfahren gegen die Töchter des Kowo-Chefs wurden gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt, ein Verfahren gegen ein beteiligtes Heiligenstädter Planungsbüro ebenfalls. Der Staatsanwalt sieht seine Arbeit zumindest in dieser Sache als erledigt an, jetzt sollte, sagt er unserer Zeitung, wieder Ruhe einkehren und "alle sollen in Heiligenstadt ihre Arbeit machen".

Anwalt: "Stehe ich vor dem Papst?"

Dass das aus seiner Sicht jahrelang mindestens nicht ausreichend stattgefunden hat, daraus macht Becker in seinem Plädoyer keinen Hehl. Er habe an der Schuld von Bernd Beck mindestens so viele Zweifel wie an seiner Unschuld. Dennoch komme er an der Aussage des einzigen Belastungszeugen, des Gutachters, nicht vorbei, der seine Aussage vor Gericht revidiert hatte. Deshalb beantragt auch er Freispruch. Die moralische Keule packt er dennoch aus. So sei es für ihn nicht nachvollziehbar, dass Beck von all dem, was sich um die Kowo gerankt hat, nichts gewusst haben will und bis zuletzt an dem Kowo-Chef festgehalten hat. "Bernd Beck wollte diesen Geschäftsführer decken, er wollte ihn halten. Daran gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel", sagt Becker deutlich in seinem Plädoyer.

Das Verhalten des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden in dem gesamten Verfahren, das 2008 mit einer Durchsuchung in den Kowo-Räumen begonnen hatte, nennt er lebensfremd. Einziger Held in der gesamten Causa sei der Technische Leiter der Kowo gewesen, der schon ein Jahr vor seiner Aussage vor dem Mühlhäuser Landgericht den Aufsichtsratsvorsitzenden über ihm auffallende Unregelmäßigkeiten informiert habe und von ihm dafür hintergangen worden sei. "Menschlich ist das eine ganz große Enttäuschung", kritisiert Staatsanwalt Becker.

Immer wieder raunen die Zuhörer während der 40-minütigen Ausführung des Staatsanwaltes, denen sich ein ebenso langes und engagiertes Plädoyer von Becks Rechtsanwalt Tafweek Matani anschließt. Der ist vor allem sauer auf die Staatsanwaltschaft, die aus seiner Sicht nicht objektiv gearbeitet hat. Er habe sich, gesteht er ein, gefragt: "Wo bin ich hier? Stehe ich vor dem Papst?" Becker hat aus seiner Sicht mit der moralischen Standpauke diesen Eindruck erweckt. "Das Gericht hat aber keine Befugnis über Moral zu entscheiden", so Matani und Becker habe mit seinem Plädoyer fast den Tatbestand der Beleidigung tangiert, anstatt sich an seine eigene Anklage zu halten. Er habe erwartet, dass die Staatsanwaltschaft Fehler eingesteht und sei enttäuscht.

Seinen Freispruch begründet der Amtsrichter umfassend und nutzt die Möglichkeit, auf Verfehlungen hinzuweisen, die aus seiner Sicht passiert sind. Dass sich Beck strafrechtlich nichts habe zu Schulden kommen lassen, bescheinige er. Aber als Vorsitzender des Aufsichtsrates habe Beck schlechte Arbeit abgeliefert. Das aber sei nicht strafbar. Der Aufsichtsrat habe im Zuge des Verfahrens gegen den früheren Kowo-Chef zu lange gezögert, ihn zu entlassen. "Loyalität ist aber nicht ihre Aufgabe gewesen", gibt Horstmeier dem früheren Stadtchef mit auf den Weg. Er hoffe, dass das Verfahren vielen Aufsichtsratsmitgliedern deutlich mache, dass sie ihre Arbeit - obwohl ehrenamtlich - Ernst nehmen müssen.

Beck selbst lässt sich im Gespräch mit unserer Zeitung nach der Verhandlung nicht mehr zum Verfahren ein. Er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen und sei froh, dass das Verfahren mit dem Freispruch beendet worden ist. "Es hat mich sehr belastet", sagt er und wird außerhalb des Gerichtssaales erneut emotional.