Ballenstedt/Quedlinburg. Dass bei einer Jagd ein Jäger stirbt, ist ungewöhnlich. Im Harz war vor zwei Jahren ein 81-Jähriger tödlich am Kopf getroffen worden. Jetzt beginnt der Prozess gegen eine junge Frau, die geschossen haben soll.

Eine junge Frau soll vor zwei Jahren bei einer Drückjagd im Harz versehentlich einen 81-jährigen Jäger erschossen haben - nun steht sie deswegen vor Gericht. Der Prozess beginnt am Dienstag am Amtsgericht Quedlinburg. Ein Jugendrichter führt den Prozess, weil die angeklagte Jägerin zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt war. Sie muss sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten, wie ein Sprecher des Landgerichts Magdeburg mitteilte.

Vorwurf: Statt Hirsch 81-Jährigen tödlich getroffen

Konkret wird ihr vorgeworfen, bei einer Drückjagd im Forst Ballenstedt-Meisdorf auf einen Hirsch geschossen, stattdessen aber den 81-Jährigen, der aus Niedersachsen stammte, tödlich am Kopf getroffen zu haben. Die Angeklagte hat laut Staatsanwaltschaft gegen eine Unfallverhütungsvorschrift verstoßen, weil kein ausreichender Kugelfang vorhanden gewesen sein soll. Die Vorschrift gibt vor, dass erst geschossen werden darf, wenn sich der Schütze vergewissert hat, dass niemand gefährdet wird.

Die Ermittlungen nach dem Vorfall 2017 waren schwierig. Zur Jagdgesellschaft hatten den damaligen Angaben der Staatsanwalt Halberstadt zufolge rund 100 Menschen gehört. Zudem fehlte das tödliche Projektil und damit eine Vergleichsmöglichkeit. Mehr als 60 Waffen waren damals sichergestellt worden, nachdem der Jäger tot gefunden worden war.

Im Schnitt sterben im Jahr zwei Menschen durch Jagdwaffen

Dass Menschen bei der Jagd ums Leben kommen, ist laut dem Deutschen Jagdverband selten. Im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre seien jährlich zwei Menschen durch Jagdwaffen ums Leben gekommen. „2018 war ein schwarzes Jahr mit sechs tödlichen Jagdunfällen“, sagte der Sprecher des Deutschen Jagdverbandes, Torsten Reinwald. Er sagte zur Einordnung, dass die Jäger bundesweit 1,2 Millionen Rehe und mehr als 800 000 Wildschweine erlegt hätten.

Reinwald wies auf die Grundregel bei der Jagd hin, wonach alle Hintergrundgefahren ausgeschlossen werden müssen. Jäger dürfen nicht in Richtung Siedlungen, Straßen oder Radwegen schießen. Und: Die Kugel muss immer Richtung Boden gehen, der sie verschlucken soll. Auch deshalb säßen die Jäger oft auf Hochsitzen. Die Kugeln hätten eine enorme Energie, damit sie das Wild schnell töten. Ungebremst könne eine Kugel drei Kilometer weit fliegen, sagte Reinwald.

Fünf Verhandlungstage angesetzt

Auch völlig Unbeteiligte können von der Jagdmunition getroffen werden, wie ein Fall aus Bayern zeigt: In der Oberpfalz traf der Schuss eines Jägers im vergangenen Sommer ein vorbeifahrendes Auto und verletzte den Beifahrer tödlich. Der Mann wurde im Juli dieses Jahres zu einer zwölfmonatigen Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, zu dem sollte er den Eltern des Opfers jeweils 10 000 Euro zahlen.

In Sachsen-Anhalt kann sich der Geschäftsführer des Jagdverbands, Wilko Florstedt, nur an einen tödlichen Jagdunfall erinnern: In einer Sommernacht 1992 traf ein Magdeburger Jäger einen Mann tödlich. Er hatte zunächst einen anderen Jäger gesehen, der ebenfalls von seinem Hochsitz aus mit einer Taschenlampe leuchtete. Der Magdeburger vermutete, dass jener ein geschossenes Wildschwein suchte. Als er eine Bewegung an einer Maisfeldkante wahrnahm, schoss er in der Annahme, das Tier zu treffen. Er hörte aber laute Schreie eines Mannes, der in den Bauch getroffen worden war. Das Opfer starb im Krankenhaus.

Das Gericht in Quedlinburg hat für den Prozess gegen die 22-Jährige fünf Verhandlungstage bis zum 26. November angesetzt. Ein Sachverständiger und 18 Zeugen sind laut dem Gerichtssprecher geladen. Für den 5. November sei ein Ortstermin in Meisdorf geplant, bei dem sich die Prozessbeteiligten ein Bild des Tatorts machen können.