Berlin. Mit dem Hybrid elektrisch in der Stadt: Das zehrt an den Nerven. Schuld ist die Autoindustrie, sagt unsere Autorin. Sie ist sauer.

Ich habe es ja schon mal erzählt vor einiger Zeit. Wir haben einen Hybrid als Familienkutsche. Elektro für die Stadt, Benzin für den Urlaub. Wir haben die Ladesäule vor der Tür, dachten wir, da kann nichts schief gehen. Na ja, die Ladesäule ist entweder besetzt oder kaputt. Wir kurven ziemlich viel durch die Gegend, um Strom zapfen zu können.

Und dann haben wir auch schon mal vergessen, den Wagen rechtzeitig abzuhängen, das wurde teuer. Seitdem passiert immer wieder, dass einer von uns abends mitten im Netflix-Fieber aufspringt, shit shit shit ruft, der Wagen muss von der Säule. Ja, und dann finden wir keinen Parkplatz mehr, weil alle zu Hause sind. Sonntags ab 18 Uhr ist das ganz schlimm. „So bleibst du fit“, rufe ich dem Gatten zu, der seine Daunenjacke über seine Sofaklamotten wirft. Eine Stunde war er danach neulich weg.

Mit dem Diesel kamen wir früher bis nach Italien – mit einer Tankfüllung

Unser Hybrid soll laut Hersteller mit einer Ladung 50 Kilometer weit kommen. Im Sommer schafft er 40. Im Winter – reden wir lieber nicht drüber. Schalten wir bei Fernreisen auf Benzin um, müssen wir schon nach 350 Kilometern zur Raststätte. Ist schließlich nicht mehr so viel Platz für Benzin, wegen der Batterie. Deswegen verbraucht er auch mehr. Der Diesel, den wir uns in autolosen Zeiten mal ausgeliehen hatten, fuhr mit einer Tankfüllung von Berlin bis nach Italien.

FUNKE-Kolumnistin Birgitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft.
FUNKE-Kolumnistin Birgitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Immerhin: Mit unserem Engagement schaffen wir es, dass wir in der Stadt tatsächlich überwiegend elektrisch unterwegs sind. Unsere Teenie-Tochter, seit kurzem freudige Führerschein-Besitzerin, hat in kürzester Zeit gelernt, mit Kabel, Aufladekarte und anschließender Parkplatz-Suche umzugehen. Sie traut sich in schmale Lücken, parkt rückwärts, nimmt den Bordstein sanft und lässig. Keine Frage, wir geben uns alle richtig viel Mühe. Aber praktisch ist das nicht.

Hybrid ist, wenn das Ladekabel originalverpackt im Kofferraum lagert

Ist eben eine Übergangstechnik, dachte ich bislang. Und genau das stimmt gar nicht. Die chinesische Automobilindustrie zeigt, wie es geht. Dort fahren Hybrid-Autos 100 Kilometer elektrisch, lese ich. Der Benzinmotor wird nur im Notfall angeworfen. In Deutschland ist es umgekehrt: Dort haben sich Hybrid-Besitzer lange Zeit die Förderung eingesackt und dann noch nicht mal das Ladekabel aus der Plastikfolie geholt.

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Mich macht das zunehmend aggressiv. Wenn es ums Auto geht, schaltet diese Industrie, diese Politik auf stur. Zwei Drittel der Bevölkerung wollen ein Tempolimit von 130? Wird ignoriert. Die Leute hätten gerne Elektroautos? Viel zu teuer, wenig Reichweite, keine Ladeinfrastruktur. Die Förderung von Dienstwagen gehört auf den Prüfstand? Aber wer kauft dann diese überdimensionierten Limousinen, die mit 250 Sachen auf der A2 zwischen Berlin und Dortmund die Mittelklassewagen von der Überholspur drängen.

Hinter dem Elektrobus an der roten Ampel kann ich richtig gut durchatmen

Reden wir mal über die Stadt, da kenne ich mit bestens aus. Wenn ich auf dem Fahrrad an der roten Ampel hinter einem Diesel-Bus stehe, kriege ich keine Luft. Ist es die Elektrovariante vor mir, atme ich tief durch. Und reden wir mal über den Lärm, der wird immer weniger, je mehr Elektroautos anteilig unterwegs sind. Das gilt auch für den ländlichen Raum, vor allem, wenn er von Autobahnen durchschnitten ist. Je länger ich drüber nachdenke, desto wütender werde ich. Und fordere:

  • Günstige Elektroautos, kleine Einsteigermodelle, mit denen auch die besagte Krankenschwester auf dem Land zur Frühschicht pünktlich auf Station ist. Und nicht nur teure SUVs.
  • Ladestationen. Am besten pro Straße im Wohngebiet eine. Und Schnellladesäulen an allen Tankstellen. Mit einer Ladekarte, die für alle Anbieter gilt.
  • Ich fordere echte Hybridalternativen für Menschen, die viel reisen und im Notfall einen kleinen Benzinmotor brauchen.
  • Ich fordere ganz billigen Nahverkehr, damit es sich auch ökonomisch lohnt, den Wagen öfter stehen zu lassen.
  • Ich fordere ganz vehement und sofort ein Tempolimit.

E-Auto oder: Ihr geht mit euren Bonzenkarren unter

Ich bin mir sicher: Der Verbrenner wird sich dann ganz schnell von selbst erledigen. Ohne Verbote. Und, liebe deutsche Autoindustrie, eher früher als später werdet ihr mitmachen müssen, wenn ihr nicht mit euren Bonzenkarren untergehen wollt. Ist wie mit der Digitalisierung (ohne die läuft in der Autoindustrie ohnehin nichts): Hast du das einmal akzeptiert, merkst du, dass es eigentlich gut ist.

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