Berlin. . Die Zahl der Corona-Fälle hat sich verdoppelt, untypisch für den Sommer. Forscher rätseln, woran es liegt. Eine Erklärung ist kinoreif.

Früher, vor einer gefühlten Ewigkeit von zwei Jahren, waren sie eine Pflichtlektüre: Die Wochenberichte des Robert Koch-Instituts (RKI). Nun, Corona ist immer noch da. Wie aus dem aktuellen RKI-Bericht hervorgeht, steigt seit einem Monat die Zahl der Covid-19-Fälle in Deutschland. Das gilt besonders für die Variante EG.5, auch Eris genannt, eine Subvariante von Omikron.

Zwischen dem 7. und 13. August (32. Kalenderwoche) wurden 2425 Covid-19-Fälle erfasst. Laut RKI sind es mehr als doppelt so viele wie fünf Wochen zuvor. In der 27. Kalenderwoche waren es 1032 Fälle.

Weltweit wird eine gleiche Entwicklung beobachtet. Nicht zufällig stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) EG.5 in die Kategorie Virusvarianten von Interesse hoch. Das RKI stellt klar, dass die Inzidenzwerte insgesamt aber "weiterhin sehr niedrig" seien. Allerdings wird auch viel weniger getestet – kein Vergleich mit den Jahren 2021 oder 2022.

Eris ist ansteckender, aber nicht gefährlicher als andere Varianten

Nach bisherigen Erkenntnissen ist die Variante nicht gefährlicher als andere; die Symptome sind die gleichen und schwere Verläufe die Ausnahme. Aber sie kann das Immunsystem leichter überwinden als andere zirkulierende Varianten. Man steckt indes auch aus anderen Gründen leichter an:

  • Abstandsregeln und Maskentragen werden kaum beachtet,
  • die Immunität schwindet, höchste Zeit für eine Auffrischung der Impfung,
  • die Menschen drängen sich vermehrt in Innenräumen.

Werden die Kinosäle zum Virus-Beschleuniger?

Erfahrungsgemäß gilt, dass sich die Menschen im Sommer im Freien aufhalten. Weshalb es nicht einfach zu erklären ist, warum die Fälle im Juli stiegen. Laut Corona-Pandemieradar.de. gilt der Trend in Deutschland ferner für die Zahl der schweren Atemwegserkrankungen und der Hospitalisierungen.

In Großbritannien und USA wird eine Erklärung erörtert, die man abwechselnd für einen verspäteten Aprilscherz halten oder den PR-Abteilungen der großen Hollywood-Studios zuweisen würde. Das mutmaßlich verantwortliche Phänomen heißt "Barbenheimer", eine Wortkombination aus "Barbie" und "Oppenheimer", den zwei Erfolgsfilmen dieser Saison.

"Post-Barbie- oder Post-Oppie-Covid-Welle?"

Die Argumentationskette ist bestechend einfach: Der Sommer ist die Zeit der Schulferien und der Blockbuster im Kino. Laut "Hollywood-Reporter" ziehen beide Filme Konsumenten nahezu aller Altersgruppen an, "die sich das größte filmische Kulturereignis seit Jahren nicht entgehen lassen möchten". Es wird erwartet, dass "Barbie" bald die eine Milliarde-Dollar-Grenze überschritten wird. Praktischerweise gibt es sogar kombinierte Tickets.

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Mit dem Ergebnis, dass Menschen stundenlang nebeneinander in einem geschlossenen Raum sitzen. "Oppenheimer" dauert drei Stunden, "Barbie" immerhin fast zwei Stunden. So werden die Kinosäle zum Beschleuniger der neuen Variante. Ob der Erfolgszahlen der Kinos spottete der Impfstoffforscher Peter Hotez vom Baylor College of Medicine im texanischen Houston auf X (ehemals Twitter), "macht sich jemand Sorgen über eine Post-Barbie- oder Post-Oppie-Covid-Welle?"

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In der Fachwelt wird das durchaus diskutiert. Professor Azeem Majeed vom Imperial College London, sagte der Zeitung "The Independent", es sei "unwahrscheinlich, dass die Kinobesuche zu einem jüngsten Anstieg der Fälle geführt haben". Der Epidemiologe Timo Ulrichs von der Berliner Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften legt sich im "Spiegel" nicht fest. Die "Barbenheimer"-These findet er erst einmal "interessant".

Corona? Lauterbach fühlt sich schon auf den Plan gerufen

Der US-Epidemiologe Eric Feigl-Ding berichtete ebenfalls im Kurznachrichtendienst X, dass sich in New York die Zahl der Menschen verdoppelt habe, die sich mit Covid ins Krankenhaus müssten.

Der dauerbesorgte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gab angesichts der möglichen Sommerwelle zu Protokoll, das müsse "man im Auge behalten".

Dem Hype um "Barbenheimer" tut das keinen Abbruch. Demnächst in diesem Theater: Lauterbachs Rückkehr.