Im Schweizer Kanton Zug entdecken Archäologen eine 2000 Jahre alte “Sensation“. Die Überreste eines Gebäudes stellen sie vor Rätsel.

  • Im Schweizer Alpenvorland haben Forscher die Überreste eines römischen Gebäudekomplexes freigelegt, der rund 2000 Jahre alt ist
  • Der genaue Zweck des Gebäudes ist noch unklar
  • Aber Forscher spekulieren bereits darüber, um was es sich handeln könnte. Und haben eine Idee

Die Schweizer rühmen sich gerne ihrer Unabhängigkeit. Zu Recht, liegt doch der letzte militärische Konflikt auf Schweizer Boden mehr als 170 Jahre zurück. Damals bekämpften sich die Schweizer im sogenannten Sonderbundskrieg gegenseitig, eine ausländische Armee auf Schweizer Territorium gab es zuletzt während der Napoleonischen Kriege. Doch vor 2000 Jahren waren selbst die stolzen Alpenbewohner von dem mächtigsten Reich der Erde, dem Römischen Imperium, unterworfen worden. Archäologen haben jetzt im Kanton Zug einen "Jahrhundertfund" aus dieser Zeit gemacht.

Im Äbnetwald, einem Kiesabbaugebiet bei Cham-Oberwil im Kanton Zug, entdeckten Experten der Behörde die Mauerreste eines großen Gebäudekomplexes, der sich über mehrere Räume auf um die 500 Quadratmeter erstreckt. Die rund 2000 Jahre alten Fundamente seien laut dem Statement eine "archäologische Sensation". "Römische Bauten ähnlicher Dimension wurden zuletzt vor fast 100 Jahren in Cham-Heiligkreuz ausgegraben", zitiert eine Pressemitteilung Gishan Schaeren, den Leiter der Abteilung Ur- und frühgeschichtliche Archäologie des Amts für Denkmalpflege und Archäologie.

Archäologen rätseln über Funktion des römischen Gebäudekomplexes

Lange nach den Überresten suchen mussten die Archäologen nicht. "Erstaunt hat uns zudem, dass die obersten Mauersteine sogar obertägig sichtbar waren", berichtet Christa Ebnöther, Professorin für Archäologie der Römischen Provinzen an der Universität Bern. "Solche baulichen Relikte aus der römischen Zeit sind im voralpinen Raum nur wenige bekannt – im Gegensatz zu anderen Regionen. Erstaunlich ist zudem die im Vergleich sehr gute Erhaltung der Überreste", so Ebnöther.

War es die Villa eines reichen Römers oder eine riesige Tempelanlage? Forscher rätseln über die Funktion des Gebäudes.
War es die Villa eines reichen Römers oder eine riesige Tempelanlage? Forscher rätseln über die Funktion des Gebäudes. © ADA Zug, David Jecker

Wie groß die römische Bebauung der Gegend insgesamt ist, lasse sich bisher nicht genau abschätzen. Auch wofür das Gebäude genutzt wurde, können die Forscher noch nicht genau beantworten. Weitere Untersuchungen müssen erst zeigen, ob es sich um eine römische Villa oder Tempelanlage handeln könnte. Zwischen den Mauerresten fanden die Archäologen bisher viele Alltagsgegenstände, die einen Hinweis auf die Funktion des Gebäudes liefern könnten.

Archäologen fanden Teile von wertvollem Glasgeschirr und Amphoren. Eine der ausgegrabenen Münzen stammt von Julius Cäsar und zeigt auf einer Seite einen Elefanten, der eine Schlange zertrampelt.
Archäologen fanden Teile von wertvollem Glasgeschirr und Amphoren. Eine der ausgegrabenen Münzen stammt von Julius Cäsar und zeigt auf einer Seite einen Elefanten, der eine Schlange zertrampelt. © ADA Zug, Res Eichenberger

Einige "exklusivere" Ausgrabungsstücke zeugen von dem regen Handel im Römischen Reich. So fanden die Forscher Teile von importiertem römischen Tafelgeschirr, Münzen aus Kupfer, Bronze und Silber sowie aufwendig hergestellte Glasgefässe und Amphoren, die mit allerlei Spezialitäten wie Wein, Olivenöl und Fischsaucen gefüllt waren. Besonders aufsehenerregend sei ein Goldfragment, das wohl Teil eines antiken Schmuckstücks war.

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Fundstelle mit einmaliger archäologischer Geschichte

Laut der Pressemitteilung besiedelten Menschen die Gegend bei Oberwil bereits mehrere Tausend Jahre vor den Römern. Die erhöhte Lage beim Äbnetwald mit Blick auf die umliegende fruchtbare Landschaft mache die Gegend ideal für menschliche Besiedlung. So fanden Archäologen zahlreiche Münzen aus der Keltenzeit, die Reste einer Siedlung aus der Bronzezeit sowie Gräber aus der späten Bronzezeit.

Seit dem achten Jahrhundert v. Chr. lebten die Kelten auf dem heutigen Gebiet der Schweiz. Als die Helvetier, der größte Stamm der Kelten im Alpenland, Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. nach Gallien auswanderten, schlug sie dort Julius Cäsar vernichtend in seinem gallischem Feldzug. Er zwang die Helvetier, in ihre Siedlungsgebiete heimzukehren, die daraufhin zusammen mit Gallien dem Römischen Reich einverleibt wurden.

Neben ihren Soldaten importierten die Römer vor allem ihre Kultur samt neuen Bautechniken in die neue Alpenprovinz. Die keltischen Einheimischen sahen auf den Märkten zum ersten Mal bisher unbekannte Lebensmittel wie Olivenöl, Trauben oder Knoblauch. Nach Jahrhunderten der Besatzung gewöhnten sich die Kelten an die Badehäuser, Tempel und das solide Straßennetzwerk, sie waren "romanisiert". Spuren dieser Romanisierung finden sich in der gesamten Schweiz bis heute. (os)

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