Rom. Im schwelenden Streit über Tempolimits in Italien zerstören Unbekannte längst nicht mehr nur Blitzer. Politiker zeigen sich schockiert.

Schikanierte Autofahrer revoltieren in Italien. Nachdem in den vergangenen Wochen landesweit Dutzende Radarfallen sabotiert, gesprengt oder abgesägt wurden, zieht der Protest gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen immer weitere Kreise.

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So haben jetzt unbekannte Saboteure begonnen, Fahrbahnschwellen abzureißen, die Autofahrer in Stadtzentren ausbremsen sollen. In Calderara di Reno in der Provinz Bologna sind Teile der künstlichen Bodenschwellen abmontiert worden. Fast zeitgleich schlug ein Unbekannter auch in Gualtieri in der Gegend um Rimini zu.

Italien: „Dossoman“ sabotiert Bodenschwellen

„Ich kann verstehen, dass Blitzer ins Visier genommen werden, weil sie Autofahrern Bußgelder kosten, aber ich hätte nicht erwartet, dass man auch Bodenschwellen sabotiert, mit denen die Geschwindigkeit in verkehrsberuhigten Bereichen gedämmt wird. Das ist unfassbar und unannehmbar“, schreibt Gualtieris Bürgermeister Renzo Bergamini auf Facebook.

In der Debatte über Tempolimits in Italien werden nach den Blitzern nun auch noch Bodenschwellen Ziel von unbekannten Saboteuren.
In der Debatte über Tempolimits in Italien werden nach den Blitzern nun auch noch Bodenschwellen Ziel von unbekannten Saboteuren. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Ähnlich sieht die Lage sein Kollege Giampiero Falzone, Ortsvorstand von Calderara di Reno. Fahrbahnschwellen seien auf Wunsch der Anwohner und nach öffentlichen Versammlungen installiert worden. „Natürlich können die Bodenschwellen Raser verärgern, aber sie sind notwendig, damit die richtige Geschwindigkeit eingehalten wird“, so Falzone.

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„Dossoman“ wird inzwischen der Saboteur der Bodenschwellen genannt. Das Wort kommt von „Dosso“, dem italienischen Begriff für die Vorrichtungen. Er gesellt sich also nun zu „Fleximan“, einem unbekannten Saboteur von Radarfallen, der in den sozialen Medien als „Robin Hood der italienischen Autofahrer“ gefeiert wird und in Italien inzwischen eine große Fangemeinde zählt.

Unbekannte sägen überall in Italien Blitzer ab

„Fleximan“ stammt vom italienischen Wort für Winkelschleifer, mit denen unbekannte Täter die Metallstangen, an denen die Radarkameras angebracht sind, in Sekundenschnelle zersägen. Dutzende Fälle abgesägter, explodierter, ja zerschossener Blitzer wurden in den vergangenen Monaten zwischen Veneto, Lombardei und Piemont gezählt.

Mittlerweile gehen die Behörden davon aus, dass es mehrere Nachahmungstäter gibt. Erstmals fand sich am Tatort in der norditalienischen Provinz Padua ein Bekennerschreiben. In handgeschriebenen Lettern lasen die Ermittler folgende Worte: „Fleximan sta arrivando“ (dt. Fleximan kommt).

Für viele Autofahrer, die wegen überhöhter Geschwindigkeit Strafzettel in Höhe von bis zu 300 Euro ins Haus flattern sehen, ist Fleximan ein Held. In Padua wurde ein Wandgemälde entdeckt, das Fleximan als die von Uma Thurman im Film „Kill Bill“ gespielte Attentäterin im gelben Trainingsanzug zeigt, wie sie in der einen Hand ein Schwert und in der anderen einen Blitzer hält.

„Fleximan“ – so nennen die Italiener den oder die Unbekannten, die im ganzen Land Radarfallen sabotieren. Damit wollen sie sich gegen Tempolimits und hohe Bußgelder wehren.
„Fleximan“ – so nennen die Italiener den oder die Unbekannten, die im ganzen Land Radarfallen sabotieren. Damit wollen sie sich gegen Tempolimits und hohe Bußgelder wehren. © AFP | MARCO BERTORELLO

Ein Nachahmer von Fleximan, der vergangene Woche in der Region Piemont zugeschlagen hatte, wurde von der Polizei identifiziert und angezeigt. Seitdem ist die Zahl der Sabotagen deutlich gestiegen. In einer Stadt in Ligurien wurden innerhalb von 24 Stunden elf neu installierte Videokameras abgerissen. Auch in Apulien, im Süden Italiens, wurden Kameras angegriffen.

Italien ist europaweit Rekordhalter beim Blitzen

Die Sabotageakte haben eine Diskussion über die Anzahl der aufgestellten Geschwindigkeitskontrollen entfacht. Denn Italien ist das Land mit den meisten Blitzern europaweit. 11.130 automatische Radarfallen wurden in Italien installiert – das sind fast dreimal mehr als in Deutschland. Verbraucherschützer klagen, dass Gemeinden die Radarfallen aufstellen würden, um mit den Strafen ihre leeren Kassen zu füllen.

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Doch es gibt auch noch diejenigen, die den legalen Weg des Protests wählen: Eine Petition im Roya-Tal nahe der italienischen Grenzstadt Ventimiglia fand 1300 Unterzeichner. Sie protestieren gegen das Tempolimit 50 auf einer Strecke außerorts zwischen Italien und Frankreich. Ein Blitzer hatte dort in nur sechs Monaten bereits mehr als 38.000 Temposünder erwischt. Mit einer Petition wird die Annullierung aller Bußgelder und die Deaktivierung des Blitzers verlangt.