Paris. Heiratsanträge mit Blick auf den Eiffelturm sind zu einem Tourismus-Phänomen geworden. Für Romantik nach Maß zahlen Paare Unsummen.

Seiner Freundin hatte Michael nur ganz vage etwas von einer Überraschung gesagt. Doch das war natürlich mehr als unterstapelt. Seine Jessica, so wollte es Michael, sollte aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Und so stieg der 28-jährige Amerikaner vergangene Woche voller Vorfreude mit der Frau seines Herzens in Paris in einen Aufzug. Hoch hinaus ging es bis in den letzten Stock eines Hauses, das mit seiner Lage am Seine-Ufer zu den schönsten Plätzen der Stadt der Liebe zählt. Ein Blick nach rechts, und da öffnete sich wie von Geisterhand die Tür eines großzügigen Appartements.

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Ein dienstbarer Geist führte das Paar quer durch die Wohnung auf einen aufwendig mit Blumen geschmückten Balkon. Und noch während Jessica überrascht und verzückt zugleich auf den direkt gegenüber aufragenden Eiffelturm blickte, zog Michael einen Ring aus der Hosentasche, ging im Blitzlichtgewitter des bereitstehenden Fotografen auf die Knie und fragte: „Willst du meine Frau werden?“

Wer bitteschön kann einen Heiratsantrag bei einer solchen Inszenierung mit Blick auf den Eiffelturm ablehnen? Jessica jedenfalls nicht. Natürlich hatte Michael das gehofft, auch wenn er sich im Nachhinein betont cool gab. „Es ist hier ja fast wie bei mir daheim“, witzelte er, „nur eben ein Hauch großartiger.“

Heiratsantrag mit Sicht auf den Pariser Eiffelturm: Weltweit gilt das als Romantik pur.
Heiratsantrag mit Sicht auf den Pariser Eiffelturm: Weltweit gilt das als Romantik pur. © iStock | marrio31

Dazu muss man wissen, dass sich Michael gerne als Pariser bezeichnet. Immerhin stammt er aus der texanischen Kleinstadt Paris. Schon deswegen hatte er seit langem von einem Trip in „das andere Paris“, sprich in die französische Hauptstadt, geträumt. Aber weder wollte er die Reise alleine machen, noch ohne einen besonderen Anlass.

„Pre-Wedding“ für Paare in Paris boomt

Paris sonnt sich gerne in dem Ruf, die Stadt der Liebe zu sein. Zwar nicht nur, aber auch, weil sich dieser Ruf prächtig versilbern lässt. Er hat die französische Hauptstadt zu einem der beliebtesten Reiseziele weltweit gemacht.

Vergleichsweise neu ist jedoch das große Geschäft mit der „Pre-Wedding“, auch Verlobten-Shooting genannt: Immer mehr Menschen sind wie Michael und Jessica bereit, ein Heidengeld auszugeben, um sich noch vor dem Eintritt in den Ehestand in trauter Pose vor den Sehenswürdigkeiten der Seine-Metropole fotografieren zu lassen.

Zugegeben: Der Romantikfaktor, den ein Kuss vor dem Eiffelturm oder vor der Glaspyramide des Louvre-Museums bietet, ist schwer zu übertreffen. Trotzdem überrascht die Zahl der Paare, die sich dort oder an anderen besonders malerischen Pariser „Locations“ täglich ablichten lassen. Viele wollen einfach ihr Glück öffentlich machen. Beim Eventplaner „Proposal Paris“ reisen jährlich rund 36.000 heiratswillige Pärchen an, berichtet CNN von einem Trend, der nach der deutlich zugenommen habe.

Corona und Social Media haben den Trend der Verlobungsreisen gepusht

Bei „Proposal“ sei die Zahl der Anträge zwischen 2021 und 2023 um 30 Prozent gestiegen. Und beim Veranstaltungsplaner „Kiss Me in Paris“, der laut CNN im Jahr 2023 über 450 exklusive Eheversprechen organisiert hat, sei es sogar eine Steigerung von 50 Prozent gewesen.

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Eine neue Spielart der Romantik, die ihren Grund auch in Social Media habe, so Florence Maillochon, Soziologin am französischen Nationalen Zentrum. Gegenüber CNN sagte sie, dass dieser Trend „mit dem Aufkommen der sozialen Medien richtig Fahrt aufgenommen hat, die uns dazu einladen, unser Leben in allen Bereichen zu zeigen und zu dramatisieren.“ Laut ihrer Einschätzung ist der Wunsch der großen Show „eine Erfindung, die zweifellos aus den Vereinigten Staaten oder dem Vereinigten Königreich stammt“.

Beim Studium der Luxus-Angebote auf den Websites der Anbieter scheint man selbst den Himmel voller Geigen bestellen zu können. Aber nein, es gibt doch Grenzen. Daisy Amodio, Gründerin von „The Proposers“, berichtete gegenüber CNN, dass ein Kunde mit einem höchst ungewöhnlichen Wunsch an sie herangetreten war: Er wollte sein Gesicht auf den Eiffelturm beamen, um seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen. Das war zu viel des Guten.

Paris, die Stadt der Liebe, hat seit ewigen Zeiten bei Pärchen einen hohen Attraktivitätswert.
Paris, die Stadt der Liebe, hat seit ewigen Zeiten bei Pärchen einen hohen Attraktivitätswert. © iStock | AleksandarNakic

Verrückter Wunsch führte zum Eheversprechen in Disneyland

„Ich habe den Eiffelturm angerufen, ich habe die Regierung angerufen, ich habe jeden in Paris angerufen, den man sich vorstellen kann“, so Amodio. Aber es war aussichtslos. Stattdessen habe sie dann Disneyland Paris nur für das Paar gemietet.

Die Lust auf den großen Auftritt hat ihren Preis: Michael hat für seine zweistündige Pariser Fotosession 1050 Euro bezahlt. Je nach Wunschort und Aufwand können die Paketpreise – einschließlich Fotograf, Leihkleider, Stylistin, Champagner und Transport während der Aufnahmen – auf mehr als 3000 Euro klettern.

Nicht nur US-Amerikaner zieht es in die Stadt der Liebe. Auch der asiatische Markt boomt. Schöne Hochzeitsfotos, die bereits vor der Trauung geschossen werden, haben in Asien eine mittlerweile 40-jährige Tradition. Doch wenn man sich dort früher in professionellen Studios und in ausgewählten Paris- oder Venedigkulissen in Szene setzen ließ, sind heute Originalschauplätze gefragt.

Verlobungsreisen gelten auch in Asien als lukratives Geschäft

So ersetzt die Reise nach Paris immer häufiger den Gang ins heimische Fotostudio. In den vergangenen Jahren hat sich diese Pre-Wedding-Photography zu einem sehr lukrativen Geschäftsmodell entwickelt. Organisiert werden die Foto-Reisen zumeist von spezialisierten Agenturen mit Sitz in Asien oder Amerika.

Aber in Paris, wo aufgrund der großen Modeschauen an guten Fotografen kein Mangel herrscht, sind ihnen inzwischen Konkurrenten erwachsen. Foto-Reisen bringen rekordverdächtige Umsätze ein: Die renommierte Pariser Tageszeitung „Le Monde“ schätzte das asiatische Umsatzvolumen der Pre-Wedding-Photography jüngst auf mehr als eine Milliarde Euro jährlich.

Für manche mag die Aussicht, dass alle Welt Zeuge ihres so intimen Moments wird, eher abschreckend sein, aber „es gibt einige Leute, die es genießen“, sagte Chantelle-Marie Streete, Mitbegründerin des Veranstaltungsanbieters „Kiss Me“ in Paris, gegenüber CNN. Was die Paare dabei am Instagram-würdigen Auftritt am meisten mögen? „Sie wollen, dass alle um sie herum klatschen.“