Rom. Mit dem Rad um den Gardasee – ein Traum für Italien-Urlauber. Doch Einheimische und Umweltschützer gehen jetzt auf die Barrikaden.

Das Projekt, das die Herzen von Italien-Urlaubern höher schlagen lassen dürfte, heißt „Ciclovia di Garda“: Es soll Radfahrern eine Tour rund um den Gardasee ermöglichen. Die Planer versprechen den schönsten Radweg der Welt mit einer Strecke von rund 140 Kilometern – ein Vorhaben mit enormem wirtschaftlichen und touristischen Potenzial.

Seit einigen Jahren schon wird an dem Rundweg gebaut, 2026 soll er endlich komplett fertig sein. Doch je weiter die Planung voranschreitet, desto größer der Widerstand von Umweltschutz- und Bürgerverbänden. Sie wollen den größten See Italiens, der die Regionen Trentino, Venetien und Lombardei verbindet, schützen.

Gardasee: Geplanter Radweg ist Einheimischen ein Dorn im Auge

Noch sind bei dem Großprojekt nicht alle Detailfragen geklärt. Denn die Verwirklichung der „Ciclovia“ – ursprünglich trug das Vorhaben den Namen „Garda By Bike“ – ist mit einigen technischen Herausforderungen verbunden.

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Für die Schleife um den See sollen zum Teil schon bestehende Radwege genutzt und zusätzlich neue Strecken gebaut werden. Ein Teil des neuen Weges, eine zwei Kilometer lange Strecke ab Limone Sul Garda im Norden, konnte schon 2018 eröffnet werden. Geradelt wird auf der „Ciclopedonale“ 50 Meter über dem Wasser an der Felswand entlang.

Schwierig gestaltet sich letzteres aber vor allem im bergigen Norden des Sees, wo die Felswände über dem Wasser steil abfallen. Dort gibt es bislang nur vereinzelt Radwege, die über Nebenstraßen verbunden sind. Im Süden sind die Strecken dagegen stärker ausgebaut und bieten bessere Voraussetzungen für eine Fahrradstraße vor malerischer Kulisse. Auch die europäischen Radfernrouten Eurovelo 7 (die „Sonnenroute“ von Norwegen bis Malta) und 8 (die „Mittelmeerroute“ von Spanien bis Zypern) sollen an den Garda-Radweg angeschlossen werden.

Der Radweg um den Gardasee soll bis 2026 fertiggestellt werden. Einige Teilstücke gibt es schon.
Der Radweg um den Gardasee soll bis 2026 fertiggestellt werden. Einige Teilstücke gibt es schon. © iStock | Simon Dannhauer

Was für Aktiv-Touristen reizvoll klingt, ist vielen Einheimischen ein Dorn im Auge: Erst kürzlich hat sich die sogenannte interregionale Koordinierungsstelle zum Schutz des Gardasees zusammengeschlossen. Sie versammelt namhafte Umweltschutzverbände wie WWF Italia und Legambiente, Planer und einfache Bürger, die sich gegen das ehrgeizige Vorhaben wehren.

Eine von ihnen ist Monica Tessarolo, Architektin aus Gardone Riviera. „Die Auswirkungen auf die Landschaft sind groß“, mahnt Tessarolo. Auf der Plattform change.org hat sie eine Petition initiiert, mit der sie Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella, die Regierung und die Behörden in Lombardei, Venetien und Trentino zur Überprüfung des Projekts auffordert. Denn damit, beharrt Tessarolo, seien große Gefahren für die Umwelt verbunden.

Umweltschützer halten Projekt am Gardasee für gefährlich

„Teile des Radweges sind nicht sicher für Fußgänger und Radfahrer“, so die Expertin. Das Projekt sei außerdem „nicht nachhaltig und völlig unvereinbar mit der Schönheit der Orte“. Punkt für Punkt listen die Mitglieder der Koordinierungsstelle die kritischsten Aspekte des Radwegs auf, der unter anderem auch Stege über den See vorsieht. Diese sollen im Fels verankert sein, was den Zustand der Hänge in den Augen der Umweltschützer irreversibel verändern würde.

Am Gardasee bei Limone sul Garda in der Lombardei gibt es bereits einen Teil der Strecke direkt zwischen Wasser und Felsen.
Am Gardasee bei Limone sul Garda in der Lombardei gibt es bereits einen Teil der Strecke direkt zwischen Wasser und Felsen. © iStock | djedzura

„Es ist, als würde man einen Elefanten in einen Porzellanladen stellen, die Folgen wären verheerend“, stimmt Maurizio Maffi, Sprecher der Korrdinierungsstelle, zu. Die Hängebrücken über den See drohten die Falesie – die berühmten Felswände, die die Landschaft des oberen Teils des Gardasees prägen – zu ruinieren. „Angesichts der anhaltenden Erdrutsche an den Hängen ist außerdem die Sicherheit des Weges nicht garantiert“, so auch Maffi.

Umstritten sind auch jene Teile des Radwegs, die entlang natürlicher Strände oder in der Nähe von Villen, Hotels und historischen Garten- und Zitronenplantagen verlaufen sollen. Die Aktivisten fürchten Schäden für Landschaft und Natur. Im Süden ginge durch die Radwege noch mehr Land verloren. Bäume müssten gefällt werden und landwirtschaftliche Flächen weichen, so die düstere Prognose der Kritiker. An einigen Streckenabschnitten sollten laut Plan sogar Pfähle im See installiert werden, was das Biotop stören würde.

Umweltschüter: „Der Widerstand wächst immer mehr“

All diese Sorgen hat Maffi dieser Tage im Senat in Rom vorgestellt. An der Konferenz beteiligten sich auch Vertreter der deutschen und österreichischen Botschaft. Vorträge mit Fachleuten, die die Gefahren für den See und die umliegende Landschaft erklären sollen, sind in mehreren Gemeinden geplant. Im April soll es eine Protestkundgebung in Riva del Garda geben. „Der Widerstand gegen ‚Garda By Bike‘ wächst immer mehr“, berichtet auch der Aktivist Mauro Mazza. Hoteliers und Tourismus-Veranstalter, die anfangs den Radweg stark befürworteten, hätten inzwischen begriffen, dass es mehr negative Auswirkungen als Vorteile gebe.

Der geplante Radweg um den Gardasee führt durch drei Regionen: Trentino, Venetien und Lombardei.
Der geplante Radweg um den Gardasee führt durch drei Regionen: Trentino, Venetien und Lombardei. © Koordinierungsstelle zum Schutz des Gardasees | Koordinierungsstelle zum Schutz des Gardasees

Mazza selbst zählt zu den Vorreitern des Widerstands gegen den Radweg. Neben der Umwelt ist dem pensionierten Lehrer noch ein anderer Punkt ein Dorn im Auge: „Die gemischte Nutzung des Weges seitens Fußgängern und Radfahrern birgt hohe Risiken für beide.“ Mazza befürchtet außerdem eine Überlastung der ohnehin schon viel befahrenen Gardesana Occidentale und Orientale, den Uferstraßen im Osten und Westen des Sees.

Die hohen Kosten sind ein weiterer wunder Punkt: Die 2021 auf 344 Millionen Euro veranschlagten Ausgaben haben sich inzwischen auf 1,3 Milliarden Euro vervierfacht. Dabei werden lediglich 46 Millionen Euro vom Staat zur Verfügung gestellt. „Der Rest des Betrags muss von den Regionen gezahlt werden“, meint Mazza, „und zwar auf Kosten von Projekten, die den Bürgern zugutekämen und wesentlich dringender wären als ein Radweg.“