Cottbus. Sie stechen und stören: Viele Menschen in Thüringen empfinden in diesem Sommer Mücken als besonders lästig. Doch kann man von einer Mückenplage sprechen?

Nicht wenige Menschen werden es schon gespürt haben - in diesem Sommer wird Deutschland von mehr Mücken heimgesucht als in den vergangenen Jahren. Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg bei Berlin bestätigt das. Nach zwei trockenen Sommern in Folge mit deutlich weniger Mücken sei der Wechsel von Feuchte und Wärme in diesem Jahr sehr mückenfreundlich, sagte die Biologin der Deutschen Presse-Agentur. „Die Belästigung ist regional aber sehr unterschiedlich.“ Wo starke Niederschläge die Pegelstände von Gewässern steigen ließen, spricht die Forscherin von einer Mückenplage. Beispiele seien etwa die Oder, aber auch der Starnberger See und der Ammersee in Bayern.

In Deutschland sind der Expertin zufolge über 50 Arten von Stechmücken beheimatet. In den vergangenen beiden Jahren waren es überwiegend Hausmücken, die etwa in Regentonnen oder Pfützen ihre Eier ablegten. In diesem Sommer haben laut Werner die sogenannten Überschwemmungsmücken Hochkonjunktur. In Überflutungsflächen etwa der Oder registrierte die Biologin pro Minute einen Anflug von mehr als 100 Überschwemmungsmücken zur Aufnahme einer Blutmahlzeit. Von einer Plage spreche man ab etwa 20 Mücken pro Minute. Die Oder führte in den vergangenen Wochen Hochwasser durch viel Regen vor allem in Südpolen und Tschechien.

Das Wasser fließe aus den Überflutungsflächen und Gräben in den Auwäldern und Auen nicht so schnell ab, erklärt Werner. Dort entwickelten sich derzeit Mücken sehr gut, die warmen Temperaturen verkürzten zudem ihre Entwicklungszeit. Überschwemmungsmücken seien sehr stechlustig, weil sie unter Entwicklungsdruck stünden. Laut der Wissenschaftlerin müssen sie in kürzester Zeit Blut saugen, ihre Eier entwickeln und dann ablegen, um über den Sommer möglichst viele Generationen zu ermöglichen.

Tigermücke und Asiatische Buschmücke in Deutschland weit verbreitet

Die Biologin nutzt das hohe Mückenaufkommen für ihre Forschung. So will sie vergleichend untersuchen, ob einheimische Mücken in gleichem Maße wie eingewanderte Mücken - etwa die Asiatische Tigermücke - Krankheitserreger übertragen. Weitere Studien dazu würden am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, durchgeführt.

Zu invasiven Mücken wie etwa der Tigermücke oder der Asiatischen Buschmücke, die in Deutschland relativ weit verbreitet ist, wisse man gut, welche Krankheitserreger sie übertragen könnten, sagt Helge Kampen vom Friedrich-Loeffler-Institut. Asiatische Tigermücken gelten als Überträger von tropischen Erregern wie Zika-, Chikungunya- und Dengue-Virus. „Solche Kenntnisse fehlen uns eigentlich noch weitgehend bei den einheimischen Mücken“, erläutert der Wissenschaftler. Das liege zum einen daran, dass das Thema bislang vernachlässigt worden sei. Zum anderen könnten viele einheimische Mücken nicht gezüchtet werden. Jetzt sei die Chance da, mit der Vielzahl an Überschwemmungsmücken im Labor Infektionsversuche durchzuführen.

Die Biologin Werner vergleicht zurzeit auch Flächen an Oder, Spree, Elbe, Weser und Rhein, um zu schauen, welche ökologischen Nischen von invasiven Arten besiedelt werden. Populationen der Asiatischen Tigermücke gibt es ihr zufolge bereits in den Bundesländern Bayern, Baden Württemberg, Thüringen und Hessen. Die Studie soll prüfen, ob die Tiere auch in andere Regionen wie etwa Berlin und Brandenburg einwandern.