Berlin. Im Sahel-Staat Niger hat das Militär geputscht. Das könnte Folgen haben – auch für den Abzug der Bundeswehr aus dem Nachbarland Mali.

Der Militärputsch im westafrikanischen Staat Niger könnte auch Konsequenzen für die Bundeswehr haben. Das bisher demokratisch regierte Land wird von der Bundesregierung als wichtiger Kooperationspartner in der immer instabiler werdenden Sahel-Region gesehen. Die Bundeswehr unterhält in der Hauptstadt Niamey ein Logistik-Drehkreuz für den gefährlichen Einsatz im benachbarten Krisenstaat Mali.

Die putschenden Militärs hatten den Präsidentenpalast gesperrt und Präsident Mohamed Bazoum festgesetzt. Was bedeutet das für die Bundeswehr? Und wie geht es jetzt weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was macht die Bundeswehr in Niger?

In Niamey befinden sich etwa 100 deutsche Soldaten. Der dortige Lufttransportstützpunkt ist unverzichtbar für die Beteiligung an dem UN-Einsatz Minusma in Mali und die Versorgung des dortigen Camp Castor der Bundeswehr. Soldaten, Verwundete und Material passieren den Stützpunkt in Niger. Eine besondere Bedeutung hat die Präsenz in Niger außerdem, weil die Bundeswehr mit dem Ende des Minusma-Einsatzes bis Jahresende aus Mali abzieht. Die Militärjunta in Mali hatte ein Ende der UN-Präsenz gefordert.

Bis zum Frühjahr bildete die Bundeswehr nigrische Spezialkräfte aus. Im Mai erteilte der Bundestag das Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Militärmission EUMPM in Niger, mit der die Armee des Landes beraten und bei der Ausbildung unterstützt werden soll. Im Rahmen dieses Einsatzes sind derzeit etwa ein Dutzend Bundeswehrsoldaten vor Ort.

Die im Jahr 2018 begonnene Ausbildungsmission „Gazelle“ galt mit ihrer Spezialkräfte-Schule in Tillia, Niger, als Vorzeigeprojekt.
Die im Jahr 2018 begonnene Ausbildungsmission „Gazelle“ galt mit ihrer Spezialkräfte-Schule in Tillia, Niger, als Vorzeigeprojekt. © picture alliance/dpa | CARSTEN HOFFMANN

Wie ist die Lage der deutschen Soldaten nach dem Putsch in Niger?

„Alle Angehörigen des deutschen Einsatzkontingents Minusma und EUMPM mit Standort Niamey befinden sich in Sicherheit“, teilte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr unserer Redaktion am Donnerstag mit. Allerdings ist infolge des Putsches der nigerianische Luftraum gesperrt, offiziell zunächst bis zum 4. August. Dadurch kann der Stützpunkt der Bundeswehr in Niamey erst einmal nicht angeflogen werden. Deutsche Botschaftsmitarbeiter sind dorthin in Sicherheit gebracht worden. Das Auswärtige Amt rief deutsche Staatsangehörige dazu auf, sich in eine Krisenvorsorgeliste einzutragen.

Bundeswehr: Was bedeutet die Entwicklung für den Abzug aus Mali?

„Die Lage ist nach wie vor unübersichtlich“, sagte der Sprecher des Einsatzführungskommandos. Derzeit sei „noch nicht absehbar“, inwieweit der Sturz der Regierung in Niger folgen für den Abzug von Material und Soldaten aus Mali haben könnte. Der Bundeswehr steht durch das kurzfristig vorverlegte Ende der Minusma-Mission ohnehin vor einer logistischen Mammutaufgabe. Nach zehn Jahren sind zahlreiche Gerätschaften und viel Ausrüstung vor Ort, zudem etwa tausend Soldaten.

„Der Abzug der Bundeswehr aus Mali wird durch die neue Lage deutlich schwieriger“, sagte der Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), Ulf Laessing, dieser Redaktion. Niamey sei das Drehkreuz für die Rückverlegung der Bundeswehr aus Mali. „Dort sollten Flugzeuge aus Gao ankommen, aber auch Transporte über Land.“ Vom Camp Castor in Gao könne die Bundeswehr weder durch Zentralmali noch durch Burkina Faso Richtung Küste fahren, beides sei viel zu gefährlich.

Ein Militärputsch in Niger könnte den Abzug der Bundeswehr aus dem benachbarten Mali nach Einschätzung des Sahel-Experten Ulf Laessing erheblich beeinträchtigen.
Ein Militärputsch in Niger könnte den Abzug der Bundeswehr aus dem benachbarten Mali nach Einschätzung des Sahel-Experten Ulf Laessing erheblich beeinträchtigen. © dpa | Uncredited

„Deswegen gehen alle Lkw der Bundeswehr über Niger. Es ist zu hoffen, dass die künftige Regierung in Niger weiterhin mit der Bundeswehr kooperiert“, sagte Laessing. „Sonst wird der Zeitplan des Abzugs aus Mali bis Jahresende stark gefährdet sein. Das bringt die Bundeswehr in eine sehr komplizierte Lage.“

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Die putschenden Militärs hatten erklärt, Nigers Landesgrenzen seien bis zu einer „Stabilisierung der Situation“ geschlossen. „Entscheidend für uns ist, dass der Abzug unserer Soldatinnen und Soldaten aus Mali, sofern über den Flughafen in Niger erforderlich, weiterhin geordnet stattfindet, und die Bundesregierung uns engst auf dem Laufenden hält“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), dieser Redaktion.

Wie ist nach dem Putsch das bisherige Engagement der Bundeswehr zu bewerten?

Laessing zieht eine nüchterne Bilanz: „Die Entwicklung in Niger zeigt, dass unsere Einflussmöglichkeiten in der Region begrenzt sind“, analysiert der KAS-Experte, den unsere Redaktion telefonisch in Malis Hauptstadt Bamako erreichte. Vor wenigen Tagen hatte Laessing noch Niger besucht. „Man kann eine Armee unterstützen, trainieren und ausrüsten, so wie die Bundeswehr es in Niger getan hat. Aber das heißt nicht, dass damit auch ein Rechtsstaatsbewusstsein an die Armee übergeben wird.“ Zunächst war unklar, ob von der Bundeswehr ausgebildete Soldaten an dem Putsch beteiligt waren.

Gegen ihn richtete sich der Militärputsch: Mohamed Bazoum, Präsident des Niger.
Gegen ihn richtete sich der Militärputsch: Mohamed Bazoum, Präsident des Niger. © dpa | STEPHANE DE SAKUTIN

Was heißt die Entwicklung für die Politik der Bundesregierung?

Ob Zusammenarbeit in Migrationsfragen oder Kampf gegen islamistische Extremisten: Die Bundesregierung sah im demokratisch regierten Niger einen wichtigen Verbündeten, obwohl der Wüstenstaat zu den ärmsten Ländern der Welt zählt. In der Region erschütterten Militärputsche zuletzt bereits Mali, Guinea, Burkina Faso und Tschad.

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„Niger war die letzte Hoffnung Deutschlands und anderer ausländischer Staaten, in der Region noch einen Kooperationspartner zu haben“, sagte Laessing. „Andere Militärregierungen in der Region wie in Mali richten sich nach Russland aus.“ Deswegen habe sich die westliche Hilfe zuletzt so stark auf Niger konzentriert, so der Sahel-Experte. „Die ganze europäische Hilfe in dem Land wurde dadurch aber auch sehr unkoordiniert.“

Das Auswärtige Amt erklärte, die Ereignisse in Niger „mit sehr großer Sorge“ zu verfolgen. „Wir verurteilen den Versuch von Teilen des Militärs, die verfassungsmäßige demokratische Ordnung Nigers umzustoßen und fordern diese auf, den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum unverzüglich freizulassen und in ihre Unterkünfte zurückzukehren.“

Steckt Russland hinter dem Putsch in Niger?

Das erwartet der SPD-Außenpolitikexperte Nils Schmid nicht. „Russland bemüht sich in der Sahel-Region intensiv um Einfluss“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion dieser Redaktion. Aber: „Ein gezielter russischer Plan zum Sturz der demokratisch gewählten und westlich orientierten Regierung in Niger lässt sich bisher nicht erkennen. Weder durch die Söldnertruppe Wagner noch durch die Regierung in Moskau.“

Der Putsch in Niger habe vermutlich innenpolitische Gründe. „Eine Rolle spielten unter anderem offenbar Unzufriedenheit der Streitkräfte mit der Sicherheitslage im Land, Karrierepläne einzelner Offiziere, die schwierige wirtschaftliche Lage in Niger sowie die Akzeptanz der Eliten für Präsident Mohamed Bazoum, der Angehöriger der arabischsprachigen Minderheit im Land ist“, sagte Schmid.