Berlin. CDU-Landesministerin Prien stößt mit ihrem Vorschlag eines Handyverbots an Grundschulen auf Widerstand – doch Studien geben ihr recht.

Ein Kleinkind sitzt im Kinderwagen, die Hände kaum groß genug, um das Smartphone zu halten. Und trotzdem sind die Kinderaugen gebannt auf den Bildschirm gerichtet. Eltern bringen ihren Nachwuchs häufig viel zu früh mit elektronischen Medien in Kontakt, kritisieren Kinder- und Jugendärzte. Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein und CDU-Bundesvize fordert deshalb, die Handynutzung von Kindern massiv zu begrenzen.

„Ein Kindergartenkind braucht kein Smartphone“, sagte Prien am Wochenende der „Bild“-Zeitung. „Auch für die Grundschule denke ich, dass wir ein generelles Handynutzungsverbot ins Auge fassen sollten.“ Das Spielen mit Smartphones führe dazu, dass Kinder zu wenig draußen sind. „Kinderturnen, Fahrradfahren, Spielplatz. All das ist weniger geworden“, beklagte Prien.

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Mit ihrer Forderung nach einem Handy-Verbot an Grundschulen stößt die CDU-Politikerin aber ausgerechnet bei jener Partei auf Kritik, der vonseiten der Union immer wieder eine Verbotspolitik vorgeworfen wird – den Grünen. Deren bildungspolitische Sprecherin, Nina Stahr, sagte unserer Redaktion: „Ein generelles Nutzungsverbot in der Schule führt nur dazu, dass Kindern unter Umständen niemand eine sinnvolle Nutzung beibringt, wenn Eltern das nicht eigenständig leisten können.“

Grüne lehnen Verbot ab: Autonomie liegt bei Schulen

Die Grünen-Bundestagabgeordnete findet, die Schule sollte der Ort sein, wo Kinder und Jugendliche einen klugen Umgang mit allen Medienarten erlernen. Außerdem schränkt Stahr ein, dass für die Bildungspolitik ohnehin die Länder zuständig seien. Die einzelnen Schulen sollten „möglichst viel Autonomie haben, damit sie auf die Bedürfnisse vor Ort reagieren können“, so Stahr weiter. Nicht das Handy an sich sei gut oder schlecht, sondern nur die jeweilige Nutzung könne sinnvoll sein oder schädlich.

Schon im Grundschulalter verbringen Kinder viel Zeit am Handy. Bildungsministerin Karin Prien hält das für bedenklich.
Schon im Grundschulalter verbringen Kinder viel Zeit am Handy. Bildungsministerin Karin Prien hält das für bedenklich. © iStock | istock

Der bildungspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Oliver Kaczmarek, hält Priens Vorstoß für überflüssig. „Die Schulen haben sich längst auf den Weg gemacht. Es sollte selbstverständlich sein, dass der private Handygebrauch in Kitas und Grundschulen verboten ist.“ Verbotskultur und Elternschelte werden dem Problem ungleicher Bildungschancen nicht gerecht, sagte Kaczmarek dieser Redaktion.

„Ein generelles Handyverbot an den Schulen, wie Karin Prien es in ihrer Sommerpausen-Forderungsmanier angesprochen hat, macht aus meiner Sicht deutlich, wie sehr an eigentlichen Herausforderungen und Problemen im Bildungssystem Schleswig-Holstein und Deutschland vorbeigeschaut wird“, sagte Gyde Jensen, stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende unserer Redaktion. Die FDP-Politikerin warf Prien vor, ambitionslose Bildungspolitik zu betreiben, deshalb hätten Smartphones während des Grundschulunterrichts sowieso keine Funktion oder Relevanz.

Nicole Gohlke, Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, sieht Priens Idee bereits an der Realität scheitern: „Die Debatte über Handyverbote lenkt vom eigentlichen Problem ab – und zwar, dass die Lehrkräfte völlig überlastet sind und solche Verbote dann eh nicht durchsetzen können.“

Unesco empfiehlt, Handys aus Schulen zu verbannen

Rückenwind erhält Bildungsministerin Prien hingegen von der Unesco, die UN-Agentur für Bildung und Kultur. Ein vor kurzem veröffentlichter UN-Bericht empfiehlt Smartphones aus Schulen komplett zu verbannen, um Störungen im Unterricht zu vermeiden, das Lernklima zu verbessern und die Kinder vor Cybermobbing zu schützen. Laut dieses Berichts gebe es Beweise dafür, dass die häufige Nutzung von Mobiltelefonen in Zusammenhang steht mit schlechteren schulischen Leistungen.

Zudem habe ein hohes Maß an Bildschirmzeit negative Auswirkungen auf die emotionale Stabilität der Kinder. Die Generaldirektorin der Unesco, Audrey Azoulay, warnte politische Entscheidungsträger davor, die digitale Technologie unreflektiert zu umarmen. Die Unesco hat 200 Bildungssysteme in der ganzen Welt analysiert und schätzt, dass jedes vierte Land Smartphones in der Schule verboten hat. Dazu gehörte seit 2018 Frankreich – und bald kommen auch die Niederlande hinzu.

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