Berlin. Justizminister Marco Buschmann (FDP) will mehr finanzielle Fairness in Trennungsfamilien. Die Koalition ist noch lange nicht überzeugt.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat mit seinem Vorstoß für eine Reform des Unterhaltsrechts eine breite Debatte ausgelöst. Am Wochenende skizzierte der Minister im Interview mit dieser Redaktion, wie er Elternteile in Trennungsfamilien entlasten will, die zwar nicht den Hauptteil der Kinderbetreuung übernehmen, sich aber dennoch stark einbringen. Meistens geht es um die Väter. Jetzt häufen sich die Wortmeldungen zu den Plänen des Ministers, darunter sind auch warnende Stimmen. Wir erläutern, wie bisher die Rechtslage ist – und auf was sich betroffene Eltern einstellen sollten.

Unterhalt: Wer muss in Trennungsfamilien zahlen?

Das Unterhaltsrecht ist ausgesprochen komplex. Heerscharen von Anwälten, Familienrichtern und Beratungsstellen befassen sich damit. Buschmanns Pläne zielen auf einen speziellen Aspekt, den sogenannten Barunterhalt. Damit hat es Folgendes auf sich: Nach der Trennung der Eltern leben die meisten Kinder überwiegend bei einem Elternteil. In der Regel ist das die Mutter, seltener der Vater. Derjenige Elternteil, bei dem das Kind nicht überwiegend wohnt, muss monatliche eine bestimmte Summe für das Kind zahlen – den Barunterhalt. Hier will der Minister ansetzen und stärker berücksichtigen, in welchem Umfang sich der zahlende Elternteil um sein Kind kümmert.

Wie hoch ist der Barunterhalt?

Maßgeblich ist gemeinhin die Düsseldorfer Tabelle. Die heißt so, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf sie vor mehr als 60 Jahren erstmals festlegte und bis heute in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Familiengerichtstag aktualisiert. Die Höhe des Barunterhalts hängt demnach davon ab, wie alt das Kind ist und wie viel Netto-Einkommen dem unterhaltspflichtigen Elternteil zur Verfügung steht.

Bei einem fünfjährigen Kind und einem Monatseinkommen von 3.000 Euro würden derzeit beispielsweise 503 Euro fällig, bei einem 18-jährigen Kind und einem Monats-Netto von 2.000 Euro wären es 660 Euro. Unterstellt wird bei den Richtwerten, dass sich das Kind nur vier oder fünf Tage pro Monat beim unterhaltspflichtigen Elternteil aufhält. Ist es deutlich mehr, können gegebenenfalls Mehrkosten – etwa für Lebensmittel – abgezogen werden. Teilen sich die Eltern nach der Trennung die Betreuung des Kindes exakt hälftig, wird der Unterhalt auf eine andere Art berechnet.

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Was will Buschmann ändern?

Der Minister sagt, er wolle die Unterhaltslasten „fairer verteilen“. Es geht ihm vor allem um Trennungsfamilien, in denen zwar ein Elternteil die Hauptlast der Betreuung übernimmt, der andere sich aber zu 30 oder 40 Prozent einbringt. „Wir wollen klare und faire Regeln dafür schaffen, wie diese Leistung des mitbetreuenden Elternteils beim Kindesunterhalt zu berücksichtigen ist.“ Das solle nicht zum Nachteil der hauptbetreuenden Person gehen – was meistens die Mütter sind. Buschmann sagt, er wolle auch die Väter motivieren, sich stärker einzubringen. Das Unterhaltsrecht sei in die Jahre gekommen. „Es geht noch von einer sehr traditionellen Vorstellung aus: Einer betreut und einer zahlt. Nach diesem alten Rollenverständnis bedeutet das: Die Frau betreut, der Mann zahlt. Doch die gesellschaftliche Realität ist längst eine andere.“ In den kommenden Tagen bereits will der Minister Eckpunkte vorlegen. Der Gesetzentwurf soll zügig folgen.

Wie reagiert die Koalition?

Buschmann wird noch einige Überzeugungsarbeit leisten müssen – auch innerhalb der Ampelkoalition. Die Grünen im Bundestag warnten am Sonntag vor möglichen negativen Auswirkungen der geplanten Reform. Ihr rechtspolitischer Sprecher Helge Limburg sagte: „Die Reform muss verschiedene Lebensweisen berücksichtigen, darf aber nicht zum Armutsrisiko werden. Darauf werden wir im parlamentarischen Verfahren achten.“ Limburg machte zugleich deutlich, dass die Grünen grundsätzlich die Anpassung des Unterhaltsrechtes an moderne Lebensmodelle begrüßten. Er betonte aber auch: „Klar ist, dass jede Reform Grundkosten wie Kinderzimmer und Schulbedarf, die unabhängig von Betreuungszeiten anfallen und häufig von Müttern getragen werden, berücksichtigen muss.“

Ähnlich hatte sich zuvor bereits SPD-Chefin Saskia Esken geäußert und verlangt, dass die Reform nicht zulasten der Mütter gehen dürfe. „Es ist völlig klar, dass ihre finanziellen Aufwände für das Kind durch die geteilte Sorge nur geringfügig sinken“, sagte Esken. Die Pläne des Ministers seien aber grundsätzlich im Einklang mit den familienpolitischen Zielen der Ampel. Dazu gehöre, dass Männer und Frauen in der Familienarbeit gleichermaßen Verantwortung übernehmen.

Was sagt die Opposition?

Die Unionsfraktion erklärte, sie wolle vor einer Bewertung die Eckpunkte sehen. Die familienpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Gökay Akbulut, übte heftige Kritik an den Plänen des Ministers. Sie sagte am Sonntag dieser Redaktion: „Herr Buschmann sollte sich verstärkt mit Verbänden von Alleinerziehenden austauschen, um einen besseren Einblick in die Lebensrealitäten zu bekommen und seine getätigten Ankündigungen zu korrigieren.“ Die Pläne seien besorgniserregend und berücksichtigen nicht die Lebensrealität von Alleinerziehenden und ihren Kindern. „Bei einer Reform des Unterhaltsrechts muss berücksichtigt werden, dass drei Viertel der Unterhaltsberechtigten die vorgeschriebenen Unterhaltszahlungen nicht oder nur teilweise erhalten. Hier brennt es, genau da müsste man anpacken und nicht die Unterhaltszahlungen kürzen.“