Berlin. Die Wirtschaft lahmt. Klar ist: Die Ampel muss etwas tun. Dabei sollte sie nicht nur auf Energiepreise schauen, findet unsere Autorin.

Über mangelnde Pflege durch die Bundesregierung kann sich die deutsche Industrie nicht beklagen. Angefangen bei zahlreichen Interventionen in Brüssel zugunsten etwa der Autobauer, über eine jahrzehntelange Versorgung mit billigem russischen Gas, die trotz allen Warnungen vorangetrieben wurde, bis hin zu dem Sammelsurium (man könnte auch sagen: Wust) an preissenkenden Maßnahmen im Stromsektor, das über die Jahre angewachsen ist: Bundesregierungen aller Couleur haben die Interessen vor allem der Großindustrie stets im Blick gehabt.

In der Folge habe diese eine „Vollkasko-Mentalität“ entwickelt, die alle Risiken an die Politik auslagert, kritisiert DIW-Chef Marcel Fratzscher. Braucht es da jetzt wirklich noch weitere Unterstützung?

Theresa Martus, Politik-Korrespondentin
Theresa Martus, Politik-Korrespondentin © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Bundesregierung muss etwas tun

In irgendeiner Form – ja. Die Ausgangslage ist kompliziert. Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise, das hat zuletzt die Konjunkturprognose der EU-Kommission bestätigt. Und die hohen Energiepreise sind dafür ein wichtiger Grund. Mehr noch: Wenn in den kommenden Jahren Investitionsentscheidungen fallen, bei den Unternehmen entscheiden, ob sie in Deutschland bleiben oder nicht, werden die Energiepreise zu den Zahlen gehören, die sich genau anschauen.

Wenn die Bundesregierung jetzt um einen Weg ringt, bei diesen Entscheidungen den Finger zu Gunsten des Standorts Deutschland auf die Waage zu legen, ist das deshalb richtig. Doch die Lösung, die SPD, Grüne und FDP am Ende finden, muss präzise sein, darf das Ziel des Umbaus zur Klimaneutralität nicht gefährden und darf – gerade in einer Situation, in der viele Bürgerinnen und Bürger am Ende des Monats viel rechnen müssen – nicht das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen verletzten. Lesen Sie dazu: Industriestrompreis – Was rettet jetzt die Unternehmen?

Bisheriger Ideen eher mau

Die bisherigen Vorschläge aber erfüllen diese Kriterien kaum. Warum sollte ein Unternehmen etwa investieren in eigene Solarfelder oder Verträge abschließen mit Windmüllern, die neue Projekte entwickeln, wenn es sich auch ohne das auf billigen Strom verlassen kann, mit schönen Grüßen von der Bundesregierung?

Und welche Rechtfertigung gibt es für eine teure, pauschale Steuersenkung, die für energieintensive Industrie kaum keinen Unterschied macht und ansonsten keinerlei Anreize setzt für eine Transformation? Ohnehin, das Finanzierungsproblem: Im Haushalt gibt es kaum Spielräume für so große Erleichterungen.

Und mit der Erklärung, warum im Klima- und Transformationsfonds kein Geld drin sein soll für eine direkte Entlastung der Menschen über ein Klimageld, aber genug für Milliarden-Geschenke an die Industrie, dürfte sich die Ampel-Koalition auch schwertun.

Günstige Energie kein Standortvorteil mehr

Mit einer Entlastung für Bürgerinnen und Bürger durch die Hintertür Subventionen für die Wirtschaft zu begründen, ist auch keine gute Politik. Denn den denen wäre schon geholfen, wenn die Politik bisherige Erleichterungen so lange laufen lassen würde wie angekündigt – und nicht vorzeitig beenden, wie der Finanzminister das offenbar mit der Mehrwertsteuer auf Gas plant.

Besonders günstige Energie wird kein Standortvorteil mehr für Deutschland werden. Der Balance-Akt, den die Ampel-Koalition jetzt schaffen muss, ist es, eine Lösung zu finden, bei der Energiepreise nicht zum K.O-Kriterium werden, ohne dabei Geschäftsmodelle zu belohnen, die auf fossiler Energie und einer Wette auf den Staat als Retter in der Not beruhen.

Parallel dazu würde es sich lohnen, die vielen anderen Faktoren zu stärken, die Deutschland als Standort attraktiv machen – da gäbe es genug zu tun.