Berlin. Der Verantwortliche für Nawalnys Tod sitzt im Kreml. Europa hat einen Grund mehr zu Entschlossenheit und Geschlossenheit.

„Meine Aufgabe ist jetzt, der Typ zu bleiben, der keine Angst hat. Und ich habe keine Angst!“ Das waren Sätze des mutigen russischen Regimekritikers Alexej Nawalny im Herbst 2020. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade knapp und nur mit Hilfe der besten deutschen Ärzte einem tödlichen Giftanschlag entgangen. Diesen Mut und diese Angstlosigkeit vor Putin und seinen Häschern hat Nawalny jetzt mit seinem Leben bezahlt.

Nur einen Monat vor der russischen Präsidentschaftswahl hat der Apparat von Präsident Wladimir Putin seinen einzigen ernstzunehmenden politischen Gegner eiskalt vernichtet. Dabei ist völlig egal, welche Todesursache russische Pathologen im Auftrag des Kreml demnächst präsentieren werden. Ob Verbrechen, Herzinfarkt, schwere Krankheit oder angeblichen Suizid. Es gibt nur einen Verantwortlichen für den Tod des Systemkritikers – und der sitzt im Kreml.

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Der 47-jährige Nawalny konnte einstmals vor Kraft kaum laufen und ist durch den perfiden Giftanschlag, die U-Haft, die strapaziöse Verlegung in verschiedene Gulags und durch brutale Isolationshaft Stück für Stück körperlich und geistig zerstört worden. Sein Tod war leider für die Weltöffentlichkeit vorhersehbar.

Seine Unbeugsamkeit war das Todesurteil für Nawalny

Dass Nawalny jetzt sterben musste, zeigt Putins Entschlossenheit, aber auch seine Angst vor starken, charismatischen Gegnern. Die Unbeugsamkeit war das Todesurteil für Nawalny – so wie der Mut zum Ungehorsam das Todesurteil des brutalen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin war. Von den diversen Oligarchen und Ex-Freunden des Präsidenten, die in den vergangenen Jahren aus diversen Fenstern fielen, mal ganz abgesehen.

Jörg Quoos ist Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion in Berlin.
Jörg Quoos ist Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion in Berlin. © ZRB | Dirk Bruniecki

Russlands Präsident zeigt der ganzen Welt, dass sein langer Arm überall hin reicht. Auch nach Deutschland, wie es der Mord an einem tschetschenischen Asylbewerber, nur ein paar hundert Meter vom Sitz des Bundespräsidenten entfernt, bewiesen hat. Das brutale Ende Nawalnys ist ein weiterer Grund für entschlossenes Zusammenstehen in Europa gegenüber der russischen Aggression. Das Abkommen zwischen Deutschland und der Ukraine ist vom Kanzler und vom ukrainischen Präsidenten mit großen Worten gelobt worden. Aber es kann nur ein erster Schritt sein.

Der Mord an Nawalny darf nicht ohne Antwort bleiben

Denn jetzt ist deutlich mehr Gemeinsamkeit gefragt: Besonders wenn die Gefahr droht, dass ein US-Präsident Donald Trump die Ukraine in seiner möglicherweise zweiten Amtszeit abschreibt und vielleicht sogar fallen lässt. Europa müsste seine Anstrengungen bei der Ukraine-Unterstützung verdoppeln, doch der politische Wille dazu ist heute nirgendwo wirklich erkennbar. Es kann nicht sein, dass Deutschland dauerhaft die Hauptlast bei den Ukraine-Hilfen schultert.

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Das ist weder innenpolitisch durchzuhalten, noch wird es ausreichen, um das ambitionierte Kriegsziel der ukrainischen Führung zu erreichen. Noch immer hält Kiew an der Bewahrung aller Grenzen fest. Das ist nachvollziehbar, aber scheint angesichts der russischen Entschlossenheit und der riesigen Ressourcen Moskaus immer fraglicher.

Es ließ aufhorchen, dass der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz erstmals von einer Verhandlungslösung sprach. Christoph Heusgen, Ex-Sicherheitsberater der Bundeskanzlerin, kennt die wahre Lage besser als viele andere und wird mit der Münchner Veranstaltung an diesem Wochenende hoffentlich kluge Antworten produzieren. Denn ohne Antwort darf weder der zunehmende militärische Druck auf die Ukraine, noch der Mord an Nawalny bleiben.

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