Berlin. Als „Garantiestaat“ will Deutschland der Ukraine weiter beistehen – der Kanzler sichert Selenskyj Unterstützung zu. Und weitere Waffen.

Deutschland will langfristig für die Sicherheit der Ukraine einstehen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichneten am Freitag im Kanzleramt ein bilaterales Sicherheitsabkommen. „Ein historischer Schritt. Deutschland wird die Ukraine weiterhin gegen den russischen Angriffskrieg unterstützen“, erklärte Scholz.

Das Abkommen gilt zunächst für zehn Jahre, kann aber verlängert werden. Deutschland sichert dem Land damit zunächst weitere Unterstützung im Krieg gegen Russland sowie für die Zeit nach einem möglichen Kriegsende zu. Aus Regierungskreisen hieß es zudem, die Bundesregierung werde der Ukraine helfen – auch für den Fall, dass es zu einem abermaligen Angriff Russlands kommen sollte. Dann werde „die Bundesregierung innerhalb von 24 Stunden zusammenkommen und beraten, wie die Ukraine rasch und wirksam unterstützt werden kann – zum Beispiel mit Waffenlieferungen oder durch wirtschaftliche Hilfe“, hieß es.

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Scholz sagte bei einer Pressekonferenz mit Selenskyj im Kanzleramt: „Das Dokument kann in seiner Bedeutung kaum unterschätzt werden.“ Deutschland werde die Ukraine beim Aufbau moderner Streitkräfte unterstützen, um jeden zukünftigen Angriff abzuschrecken. Er kündigte zudem ein neues Paket mit Waffenlieferungen im Wert von rund 1,1 Milliarden Euro an. Weiter sei vorgesehen, die Ukraine bei Reformen wie der Stärkung demokratischer Institutionen und dem Kampf gegen Korruption sowohl technisch als auch finanzielle unter die Arme zu greifen.

Selenskyj dankt Scholz und der deutschen Bevölkerung

Der ukrainische Präsident dankte Scholz persönlich und der deutschen Bevölkerung für ihre Unterstützung für die Ukraine. „Das ist ein ganz starkes Dokument“, sagte Selenskyj nach der Unterzeichnung. „Die Ukraine hatte noch nie wertvollere und stärkere Abkommen als dieses.“ Später am Abend ist der ukrainische Präsident in Paris beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Auch Frankreich will ein solches Abkommen mit dem von Russland überfallenen Land unterzeichnen.

Bei der Unterzeichnung des Sicherheitsabkommens sind neben Olaf Scholz (vorn rechts) und Wolodymyr Selesnkyj auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (hinten rechts) und Außenministerin Annalena Baerbock dabei.
Bei der Unterzeichnung des Sicherheitsabkommens sind neben Olaf Scholz (vorn rechts) und Wolodymyr Selesnkyj auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (hinten rechts) und Außenministerin Annalena Baerbock dabei. © Getty Images | Michele Tantussi

Die Unterzeichnung der Abkommen mit Deutschland und Frankreich geschieht im Vorgriff auf eine mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine in fernerer Zukunft. Die Ukraine strebe eine Mitgliedschaft in der Allianz an, betonte Selenskyj noch einmal. Die westlichen Staaten wollen damit ein weiteres Signal an Russlands Machthaber Wladimir Putin senden: Wir stehen ohne Wenn und Aber zur Ukraine, ihre Interessen sind auch unsere.

Deutschland und Frankreich gehen mit den Abkommen aber keine Beistandsverpflichtungen gegenüber der Ukraine ein. Das bedeutet, dass sie nicht garantieren, schon vor einem Nato-Beitritt des Landes notfalls für dieses in den Krieg zu ziehen. „Erstmals in ihrer Geschichte tritt die Bundesrepublik in der Rolle als Garantiestaat in Erscheinung“, erklärte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). „Die heutige Unterzeichnung ist ein klares Zeichen dafür, dass Deutschland seiner gewachsenen sicherheitspolitischen Verantwortung in Europa gerecht wird.“

Dieses neue Waffenpaket erhält die Ukraine von Deutschland

Pistorius nannte zudem Einzelheiten zu dem neuen Waffenpaket. Es zeige Deutschlands „kontinuierliche militärische Unterstützung der Ukraine“ und „dass wir zu unserem Versprechen stehen, unseren ukrainischen Partnern dauerhaft in ihrem Kampf gegen die russischen Angriff beizustehen“. Demnach will die Bundesregierung aus Industriebeständen 18 weitere Panzerhaubitzen 2000 in den Jahren 2026 und 2027 an die Ukraine liefern inklusive Ausbildung, Ersatzteilen und Munition. Hinzu kommen 18 weitere Radhaubitzen vom Typ RCH 155, das Gerät soll in den Jahren 2025 bis 2027 in der Ukraine ankommen.

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Das Lieferversprechen kommt zu einer Zeit, in der die Ukraine auf dem Schlachtfeld zunehmend in die Defensive gerät. Ihren Truppen fehlt es an Munition und Waffen, die Soldatinnen und Soldaten sind erschöpft. Am 24. Februar geht der russische Angriffskrieg in sein drittes Jahr. Noch in diesem Jahr soll die Ukraine deshalb 120.000 Schuss Artilleriemunition erhalten. Im Jahr 2025 soll ein weiteres Luftverteidigungssystem SkyNex hinzukommen. Zusätzlich zu den bereits gelieferten und geplanten Flugkörpern IRIS-T SLS wird die Bundesregierung der Ukraine noch in diesem Jahr weitere 100 Flugkörper IRIS-T SLS liefern.

Die von der Ukraine gewünschten Taurus-Marschflugkörper sind nicht in dem Paket enthalten. Selenskyj begrüßte dennoch das neue Waffenpaket: „Die deutsche Unterstützung ist lebenswichtig für uns, für unsere Kämpfer an der Front.“

Auch Frankreich will Abkommen mit Selenskyj schließen

Aus Paris gab es bereits erste Hinweise, wie das ukrainisch-französische Sicherheitsabkommen aussehen dürfte: Frankreich könnte dem Land demnach langfristig angelegte Zusage zur kontinuierlichen Lieferung von modernen Waffensystemen machen, die Rede ist von zehn Jahren. Die Waffen sollen kompatibel mit denen der Nato sein. Außerdem dürfte es um die Aus- und Weiterbildung von ukrainischen Soldaten gehen sowie um die Stärkung der ukrainischen Rüstungsindustrie. Das deutsche und das französische Abkommen mit der Ukraine sind nicht unabhängig voneinander entstanden. Vielmehr gehen beide auf eine Zusage zurück, die die Gruppe der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7) im vergangenen Juli gegeben hatte.

Im Januar hatte bereits der britische Premier Rishi Sunak in Kiew ein bilaterales Sicherheitsabkommen mit der Ukraine unterzeichnet. Darin sagte Großbritannien dem Land umfangreiche Militärhilfen zu. Es geht unter anderem um die Lieferung von Langstreckenraketen, Drohnen, Flugabwehrsystemen, Artilleriemunition und Ausrüstung für die maritime Sicherheit. Mit anderen Staaten verhandelt die Ukraine noch über bilaterale Sicherheitsabkommen, darunter mit den G7-Ländern USA und Italien. Auch Polen und die skandinavischen Länder haben sich die Initiative angeschlossen.

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, bezeichnete das deutsch-ukrainische Abkommen am Freitag als „wichtigen Schritt“. Die dreitätige Sicherheitskonferenz, an der etliche Staats- und Regierungschefs sowie Minister aus aller Welt teilnehmen werden, startet ebenfalls am Freitag in der bayerischen Landeshauptstadt. Selenskyj wird dort am Samstagvormittag erwartet. Der Besuch des ukrainischen Präsidenten fand unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Auf dem Dach des Kanzleramts waren Soldaten postiert. Im Anschluss an den Besuch im Kanzleramt begab sich Selenskyj ins Schloss Bellevue zu einem Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.