Berlin. Der verstorbene Oppositionelle Alexej Nawalny hatte zu Protest am Wahltag aufgerufen: Im Stehen um zwölf Uhr. Wie mächtig ist die Idee?

Die Umstände sind noch ungeklärt. Der Todeszeitpunkt von Alexej Nawalny dürfte Kremlchef Wladimir Putin allerdings nicht ungelegen kommen – einen Monat vor seiner inszenierten Wiederwahl vom 15. bis 17. März.

Sein bekanntester Gegner hatte vor zwei Wochen zum Widerstand aufgerufen: in Wahllokalen, im Stehen, zu einer symbolischen Uhrzeit. Nun ist der Oppositionspolitiker tot. Hat sich damit auch der Protest erledigt? Wie mächtig ist eine Idee, deren Zeit gekommen ist? Kann der tote Nawalny dem Kremlherrscher noch einmal gefährlich werden? Die Antwort wird am 17. März fällig.

Um Punkt 12.00 Uhr. High-Noon. Gegen Putin.

Die Vorstellung gefiel Nawalny, wie er erst am 1. Februar twitterte. Auch im Straflager im hohen Norden Russlands entwickelte er immerzu neue Formen des zivilen Widerstands. Seine Anhänger sollten schlicht in die Wahllokale gehen und – Schlange stehen.

Nawalny: Für „alle Kandidaten außer Putin“

„Dies könnte eine starke Demonstration der Stimmung im Land sein“, schrieb er. Diese Art des Protests sei „legal und sicher“ und könne von den Behörden nicht verhindert werden. Die Idee: Echte Wähler versus fiktive (Putin)Anhänger. Echte Menschen, die Schlange stehen, um gegen Putin zu stimmen.

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Am 17. März sollten seine Anhänger für „alle Kandidaten außer Putin“ stimmen. Russland ohne Putin, das war das Ziel. Auf X, ehemals Twitter, warb Nawalny; „Es gibt keine Möglichkeit, diese Aktion zu stoppen. Nun, was können sie tun? Werden die Wahllokale um 12 Uhr geschlossen?“ Millionen Menschen könnten am Protest teilnehmen, und weitere Millionen könnten ihn verfolgen.

Russland-Wahl: Schlange stehen um 12 Uhr

Die Idee zur Aktion stammte von einem Freund von ihm, vom früheren Petersburger Stadtrat Maxim Reznik. Nawalnys Frau Julia und einige seiner Verbündeten im Exil planten, den Kremlkritiker Boris Nadeschdin zu unterstützen. Der Mann, der bei der Wahl offiziell gegen Putin antreten wollte, hatte sich in Russland als Gegner des Ukraine-Krieges einen Namen gemacht.

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Selbstredend wurde er nicht zugelassen. Der Kremlchef geht keine unnötigen Risiken ein. Und dazu gehört zweifellos eine offene und faire Wahl. In Russland werden Demonstrationen gegen die Regierung von den Sicherheitskräften konsequent unterbunden.

Nawalny war unbeugsam, sind es seine Anhänger auch?

Nun drängt sich eine doppelte Frage auf: Ob seine Anhänger nach Nawalnys Tod – jetzt erst recht – am 17. März um 12 Uhr Schlange stehen werden und ob die Behörden das tolerieren oder sofort einschreiten. Auch Nadeschdin dürfte der Tod Nawalnys zu denken geben: Wer Putin herausfordern will, riskiert viel, eigentlich alles.

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Keiner kannte diese Risiken besser als Nawalny. Nach einem Giftanschlag, für den er den Kreml verantwortlich macht, war der Staatsfeind Nummer Eins nach einer geglückten Behandlung in Deutschland im Januar 2021 in die Heimat zurückgekehrt; bloß um sofort wieder verhaftet zu werden und in einer Strafkolonie unter schärfsten Haftbedingungen zu landen.

Nawalny galt als unbeugsam. Aber trifft das auch auf seine Anhänger zu? Ein Teil der Antwort erfährt man am 17. März um Punkt zwölf Uhr. High-Noon gegen Putin?

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