Paris. Der Bundeskanzler stellt sich erneut klar gegen den Einsatz von Soldaten aus Europa in der Ukraine. Und damit gegen Emmanuel Macron.

Es wäre eine massive Eskalation im Ukraine-Krieg: der Einsatz von Bodentruppen aus dem Westen. Bislang beschränkt sich die Hilfe Europas und der USA auf Waffenlieferungen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten. Der Grund liegt auf der Hand: Sollten Nato-Soldatinnen und -Soldaten in der Ukraine kämpfen, könnte Russland das als im schlimmsten Fall als einen Angriff werten – mit unabsehbaren Konsequenzen. Für die Nato ist ein solcher Einsatz eine rote Linie.

Für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron hingegen scheint diese Linie nicht mehr ganz so rot zu sein. Bei einem Treffen von mehr als 20 Staats- und Regierungschefs – auch der deutsche Kanzler war unter den Anwesenden – in Paris sagte Macron am Montagabend, er schließe den Einsatz von Bodentruppen seitens Frankreich nicht aus. Jedes Land könne eigenständig und souverän über den Einsatz entscheiden.

Hilfe für die Ukraine: Kein Konsens über Einsatz von Bodentruppen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat hingegen immer wieder betont, dass es keinen Einsatz deutscher Truppen in der Ukraine geben wird. Auch US-Präsident Joe Biden hat mehrfach zu Protokoll gegeben, dass er keine Streitkräfte in die Ukraine schicken will. Nach dem Vorstoß des französischen Präsidenten reagierte Scholz und erklärte, man habe sich bei dem Treffen in Paris darauf verständigt, „dass es keine Bodentruppen, keine Soldaten auf ukrainischem Boden geben wird, die von europäischen Staaten oder von Nato-Staaten dort hingeschickt werden“.

Entgegen der Aussagen von Präsident Macron betonte der Bundeskanzler, man habe sich auf diesen Grundsatz noch einmal „sehr einhellig“ verständigt. Auch einer Beteiligung von Soldaten aus der Ferne erteilte er eine Absage. Man habe besprochen, „dass auch die Soldaten, die in unseren Ländern tätig sind, sich nicht selber etwa aktiv an dem Kriegsgeschehen beteiligen“. Vor Beginn der Konferenz am Montag hatte Scholz noch seine ablehnende Haltung zur Entsendung von weitreichenden Taurus-Marschflugkörpern bekräftigt.

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Auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen sagte der französische Präsident: „Wir werden alles Notwendige tun, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann“. Die Entsendung westlicher Truppen könne „nicht ausgeschlossen“ werden. Macron betonte jedoch, dass es über so eine Eskalation derzeit keinen Konsens gebe und schränkte ein, es sei eine Option unter mehreren.

Auf der internationalen Unterstützerkonferenz für die Ukraine: Bundeskanzler Olaf Scholz sitzt neben Emmanuel Macron im Elysee-Palast.
Auf der internationalen Unterstützerkonferenz für die Ukraine: Bundeskanzler Olaf Scholz sitzt neben Emmanuel Macron im Elysee-Palast. © DPA Images | Gonzalo Fuentes

Wörtlich sagte Macron: „Es gibt heute keinen Konsens darüber, wie Bodentruppen in einer offiziellen, angenommenen und befürworteten Weise entsandt werden können.“ Für die Zukunft solle aber nichts ausgeschlossen werden. „Ich erinnere daran, dass vor zwei Jahren manche aus dieser Runde noch gesagt haben, dass sie Schlafsäcke und Helme liefern wollten“, sagte Macron weiter, wohl auch in Anspielung auf das deutsche Zögern bei Waffenlieferungen zu Beginn des Krieges. „Heute sagen sie auch, dass Raketen und Panzer geliefert werden müssen.“

Aus dem Weißen Haus hieß es dazu laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters am Montag (Ortszeit), die USA hätten keine Pläne, Truppen in die Ukraine zu schicken. Es gebe auch keine Pläne, Nato-Truppen zum Kampf in dem von Russland angegriffenen Land zu entsenden.

Macron: „Wollen keinen Krieg mit dem russischen Volk“

„Die allgemeine Feststellung heute ist, dass unser aller Sicherheit auf dem Spiel steht“, sagte Macron zum Auftakt der kurzfristig organisierten Konferenz. Das Auftreten Russlands verhärte sich sowohl auf politischer Ebene als auch an der Front in der Ukraine, wo neue russische Angriffe drohten.

Eine russische Niederlage sei nötig für die Stabilität und Sicherheit in Europa. Deshalb müssten sich die Unterstützer der Ukraine einen Ruck geben. „Wir sind dabei, unsere Sicherheit heute und morgen zu gewährleisten“, sagte Macron. „Wir wollen nicht mit dem russischen Volk in einen Krieg treten“, meinte der Präsident auch.

Macron: Koalition will Raketen an die Ukraine liefern

Zugleich kündigte Macron an, es sei eine Koalition geschaffen worden, die die Ukraine mit „Mittel- und Langstreckenraketen“ beliefern wolle. Kurzfristig solle außerdem auch aus eigenen Beständen zusätzliche Munition für die Ukraine mobilisiert werden.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. © Christophe Ena/AP/dpa | Unbekannt

Auch die tschechische Initiative, Munition für die Ukraine auch aus nichteuropäischen Ländern zu kaufen, war Thema auf der Konferenz. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte kündigte an, dass sein Land sich mit mehr als 100 Millionen Euro daran beteiligen wolle. Eine Lieferung französischer Mirage-Kampfjets sei aktuell nicht beschlossen worden, geprüft werde aber weiterhin, welches französische Militärmaterial der Ukraine helfen könne, sagte Macron.

Europäische Schulden für Rüstungsgüter?

Auf der Konferenz sei beschlossen worden, schneller mehr Hilfe für die Ukraine bereitzustellen, sagte Macron. Frankreich unterstütze zudem Überlegungen, mit gemeinsamen Schulden europäische Rüstungsausgaben angesichts des Ukraine-Kriegs zu finanzieren. Ähnlich wie in der Corona-Krise seien auch von Russlands Aggression sämtliche europäischen Länder betroffen, was den Sonderweg gemeinsamer Schulden rechtfertige.

Der zu der kurzfristig organisierten Konferenz mit einer Videobotschaft zugeschaltete ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte weitere Hilfe gefordert, damit Russland seine Aggression nicht auf weitere Länder ausdehnt.

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An dem Treffen in Paris nahmen auch Vertreter der USA, Kanadas und Großbritanniens teilt. Die Pariser Konferenz biete die Gelegenheit, ein „Signal der europäischen Einheit und Geschlossenheit sowohl an die ukrainische Bevölkerung als auch an den russischen Präsidenten Putin“ zu senden, hieß es in Berlin.

Frankreich war zuletzt in die Kritik geraten, weil es im Vergleich zu Deutschland erheblich weniger Militärhilfe für die Ukraine geleistet hat. Im vergangenen Jahr hatte Frankreich nach eigenen Angaben militärische Unterstützung in Höhe von 2,1 Milliarden Euro geleistet. 2022 waren es 1,7 Milliarden Euro gewesen. Für das laufende Jahr sind bis zu drei Milliarden zugesagt. (pcl/AFP/dpa)