Berlin. Unbezahlte Sorgearbeit übernehmen in Deutschland vor allem Frauen. Das ist ungerecht, aber in vielen Familien so gewollt.

Glaubt man einer neuen Studie, findet Deutschlands eigentliche Wertschöpfung im Schatten der großen Industrien statt. Würde in deutschen Haushalten das Betreuen von Kindern oder das Pflegen von Angehörigen in durchschnittlicher Entgelthöhe entlohnt werden, beliefe sich allein ihr Wert auf gut 1,2 Billionen Euro, will eine neue Analyse herausgefunden haben. Das wiederum entspräche fast einem Drittel der tatsächlichen deutschen Wirtschaftsleistung.

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Geschultert werden diese Aufgaben hauptsächlich von Frauen. Angesichts der neuen Berechnung kann man auch sagen: Frauen halten der deutschen Wirtschaft den Rücken frei, damit in Büros und Fabriken alles wie gewohnt funktioniert – und Männer führen können. Denn auch das ist eine nicht ganz neue Erkenntnis der Studie: Frauen stemmen im Umfang einer Vollzeitstelle den Großteil der Sorgearbeit. Männliche Partner kommen auf 25,2 Wochenstunden.

Frauen führen den Haushalt, Männer die Wirtschaft: Das hat in Deutschland Tradition

Das Ungleichgewicht hinsichtlich der Sorgearbeit hat in deutschen Haushalten Tradition. Schon Ende der 1970er-Jahre nahm ein deutscher Schlager diese Rollenverteilung aufs Korn. „Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann“, besang die erst kürzlich verstorbene Johanna von Koczian. Damals blieb das Wäsche waschen, Kinder betreuen oder Essen kochen noch nahezu gänzlich an den Frauen hängen, heute haben sich Männer immerhin angenähert.

Fraglos ist das ungerecht, aber in vielen Partnerschaften nicht anders zu organisieren – und zum Teil auch so gewollt. Bekommen Frauen Kinder, steigt dann auch vielfach das Bedürfnis, für den eigenen Nachwuchs selbst zu sorgen. Das führt zwangsläufig dazu, Arbeitszeit im zuvor ausgeübten Job reduzieren zu müssen. Männer könnten zwar aktiv eine bedeutendere Rolle in Sachen Sorgearbeit einfordern. Erhebungen aus der Vergangenheit zeigten aber bereits, dass die Mehrheit solch einen Schritt dann häufig doch nicht unternimmt.

Es braucht Anerkennung für die Sorgearbeit von Frauen, nicht nur ein paar Rentenpunkte

Vielfach hat das ganz praktische Gründe: In nicht wenigen Partnerschaften sind noch immer Männer die Hauptverdiener. Werden Kinder Teil der Familie, bleibt das häufig auch so. Frauen arbeiten in Teilzeit, mit Folgen für eigene Aufstiegschancen im Job und letztlich auch für die Höhe der eigenen Rente.

Dominik Bath ist Redakteur für Politik & Wirtschaft in der Funke Zentralredaktion.
Dominik Bath ist Redakteur für Politik & Wirtschaft in der Funke Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Jörg Krauthöfer / Funke Foto Services

Was bei dieser Faktenlage häufig abhandenkommt, ist die Wertschätzung für die Arbeit, die Frauen im Verborgenen leisten und die auch in keiner offiziellen Wirtschaftsstatistik zu finden ist. Ein paar Rentenpunkte mehr, die sich Frauen für Kindererziehungszeiten anrechnen lassen können, wiegen das nicht auf. Ganz sicher aber ist: Das bisschen Haushalt macht sich eben nicht von allein. Und deshalb sollten Männer auch aufhören, die Tätigkeiten, die Frauen zu Hause so erledigen, zu belächeln. Jeder Mann kann in dieser Hinsicht also etwas tun.

Ein paar gute Beispiele allein brechen die ungerecht verteilte Sorgearbeit nicht auf

Als Gesellschaft wollen wir eigentlich, dass Frauen und Männer sich Erziehungs- und auch die Hausarbeit gerechter teilen. Politisch und auch gesellschaftlich getragen gibt es dazu zahlreiche Initiativen. Und wir sehen auch mitunter männliche Rollenvorbilder, die in ihrem Hausmann- und Vatersein aufgehen – und so Frauen ermöglichen, auf der Karriereleiter trotz Kinder nach oben zu kommen. Zur Regel gehört das auch deswegen nicht, weil sich alte Muster nicht einfach mit ein paar guten Beispielen aufbrechen lassen.

Auf dem Weg zu gleichberechtigter Sorgearbeit ist deshalb nicht zuletzt doch der Staat gefragt. Frauen muss es leichter gemacht werden, nach der Geburt eines Kindes im Beruf wieder Fuß zu fassen. Dazu beitragen können auch bessere Betreuungsangebote. Und zwar solche, die es dann auch tatsächlich ermöglichen, Vollzeit einem Beruf nachzugehen – während die Kinder klein sind, aber auch dann noch, wenn sie in die Schule gehen.