Washington. Im Schweigegeld-Prozess verliert der Vorsitzende Richter langsam die Geduld. Zu spüren bekommt das der Top-Anwalt von Donald Trump.

Im frühen Stadium eines historischen Straf-Prozesses als leitender Verteidiger das Verhältnis zum Vorsitzenden Richter zu zerrütten, ist zumindest riskant. Todd Blanche, führender Anwalt im Team von Ex-Präsident Donald Trump, war am Dienstagmorgen in New York auf dem besten Weg dahin.

Noch bevor die Verhandlung über mutmaßlich illegal verbuchtes Schweigegeld an den Porno-Star Stormy Daniels in der Sache fortgesetzt wurde, fing sich der Jurist mit dem kantigen Kopf von Juan Merchan – Vorsitzender Richter in dem Prozess – diesen Satz ein: „Sie verlieren jede Glaubwürdigkeit vor diesem Gericht.“ Anlass für die brachiale Schelte waren die Versuche von Blanche, Trump in einer seit Wochen für Schlagzeilen auslösenden Angelegenheit als Unschuldslamm erscheinen zu lassen.

Trotz „Maulkorb“-Erlass: Trump poltert weiter – und versetzt Zeugen und Geschworene in Angst

In Kurzform: Obwohl Trump mehrfach mit einer sogenannten „gag order“ belegt wurde, die einem „Maulkorb“-Erlass gleichkommt, attackiert der 77-Jährige fortgesetzt vor allem über soziale Medien Justizbeamte, Zeugen und Geschworene und verunglimpft das US-Justizwesen. Die Staatsanwaltschaft hat am Dienstag elf Verstöße geltend gemacht und gefordert, Trump wegen Missachtung des Gerichts mit einer Geldstrafe zu belegen. Ankläger Chris Conroy erklärte, Trumps Attacken stellten eine „Bedrohung“ für den Verlauf des Prozesses dar. Zeugen und Geschworene seien verängstigt, weil sie mit Recht fürchten würden, Zielscheibe ähnlicher Attacken zu werden.

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Konkret warf Conroy dem Ex-Präsidenten der USA vor, unrichtige Behauptungen des TV-Senders Fox News über sein Social Media-Portal „Truth Social“ massenhaft verbreitet zu haben. Der ultrarechtsradikale Moderator Jesse Waters hatte behauptet, unter den Geschworenen seien „getarnte liberale Aktivisten“, die Trump ins Gefängnis bringen wollten. Das führte dazu, dass in der vergangenen Woche eine bereits bestellte Jurorin zurückzog, weil sie sich dem feindseligen Stress nicht mehr gewachsen sah.

Conroy fügte hinzu, man werde nicht die vorübergehende Inhaftierung Trumps beantragen, obwohl es den Anschein habe, als würde Trump genau danach „angeln“.

Trump verstößt gegen richterliche Auflagen – bisher ohne Folgen

Trumps Top-Anwalt Todd Blanche wies die Vorwürfe samt und sonders ab. Er betonte leutselig, dass sein Mandant versuche, den Auflagen des Gerichts gerecht zu werden. Trump wehre sich nur auf politischer Ebene gegen einen von ihm als ungerechtfertigt empfundenen Prozess, das sei sein gutes Recht und von der Verfassung gedeckt. Dass Trump „glasklar gegen detaillierte richterliche Auflagen verstößt“, wie Anwälte im US-Fernsehen erläuterten, ignorierte der Verteidiger.

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Blanche versuchte, Trumps Attacken zu marginalisieren. Tenor: Der Ex-Präsident verbreite meist nur, was Dritte in sozialen Medien gepostet hätten. Der Vorsitzende Richter Juan Merchan korrigierte die Darstellung als falsch. Mehrfach ließ er seinen Unmut über den Stil des Trump-Anwalts erkennen: „Ich stelle hier die Fragen, okay? Und ich werde entscheiden, ob ihr Mandant das Gericht missachtet oder nicht, bitte drehen Sie das nicht um“. Als Blanche erklärte, dass es „in diesem Gericht zwei verschiedene Systeme der Rechtssprechung” gebe, verlor Merchan beinahe die Fassung.

Als die Anhörung nach 90 Minuten ohne ein Urteil – Geldstrafe, ja oder nein? – unterbrochen wurde, wurde Trump prompt wieder auf „Truth Social” aktiv: Der Richter verweigere ihm das Recht auf freie Rede und gestattet ihm nicht, „sich zu verteidigen“. Mehr noch: Trump wiederholte seine Klage, dass es sich um ein „Scheingericht” („Kangaroos Court“) handele und forderte Merchan zum Rücktritt auf. Warum er das tat? Vom „Maulkorb“-Erlass sind Richter Merchan und Chef-Ankläger Alvin Bragg ausdrücklich ausgenommen.