Berlin. Wie können Krankenkassen ihre Finanzlöcher stopfen? Eine Idee: Zahnbehandlungen nicht mehr bezahlen. Das sagt der Gesundheitsminister.

Der Vorschlag des Chefs einer Innungskrankenkasse hat es in sich: Ralf Hermes fordert Leistungskürzungen im Katalog der Kassen. Unter anderem will er, dass die Patienten Zahnbehandlungen nicht mehr erstattet bekommen.

Für Füllungen oder Wurzelkanalbehandlungen geben die Kassen rund 13 Milliarden Euro im Jahr aus. Diese Summe könnte so eingespart werden. Doch Hermes steht mit der Forderung allein auf weiter Flur. "Zahnbehandlungen bleiben eine Kassenleistung", stellte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) postwendend klar.

Auch der GKV-Spitzenverband der Krankenkassen sieht keinen großen Diskussionsbedarf um den Leistungskatalog. Allerdings macht die Vorstandschefin des GKV, Doris Pfeiffer, eine Einschränkung. Die Behandlungen und Leistungen müssten darauf geprüft werden, ob sie sinnvoll seien und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierten.

Auf der Kippe stehen zum Beispiel schon länger homöopathische Therapien. Doch deren Kosten liegen "nur" bei wenigen Millionen Euro im Jahr. Der Einspareffekt wäre gering. Insgesamt wirtschaften die Kassen jährlich mit mehr als 270 Milliarden Euro. Lesen Sie auch: Professionelle Zahnreinigung – Welche Krankenkassen sie bezahlen

Chefin des Krankenkassen-Verbands: "Müssen Beitragserhöhungsspirale stoppen"

Bedarf für Veränderungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sieht Pfeiffer vor allem auf anderen Feldern. So kritisiert sie beispielsweise, dass Finanzierungslücken regelmäßig über Beitragserhöhungen gestopft werden. "Wir müssen diese Beitragserhöhungsspirale stoppen", sagt sie. Ein Konzept für die nachhaltige Finanzierung der Krankenkassen wollte Lauterbach eigentlich bis Ende Mai vorlegen. Zumindest öffentlich gibt es bisher jedoch keine Vorschläge.

Dabei drängt die Zeit. Denn in den kommenden Jahren steigen die Ausgaben der Krankenversicherung vermutlich weiter stark an – allein aufgrund der zunehmenden Alterung der Versicherten. Das Geld reicht ohne Eingriffe in das System schon jetzt nicht mehr aus.

2023 erwarten Schätzer ein Minus von 17 Milliarden Euro. Geschlossen wird das Loch überwiegend von den Beitragszahlern durch den Anstieg der Zusatzbeiträge. Dazu werden die Reserven der Kassen und des Gesundheitsfonds angezapft. Aber auch Pharmaunternehmen und Ärzte leisten in diesem Jahr einen Beitrag zu Deckung der Kosten.

Kassen-Chefin Doris Pfeiffer vom GKV-Spitzenverband
Kassen-Chefin Doris Pfeiffer vom GKV-Spitzenverband © Reto Klar/FUNKE Foto Services

Milliarden-Finanzlücke bei den Krankenkassen

Im kommenden Jahr dürfte Pfeiffer zufolge ein deutlich geringeres Minus anfallen. Aus heutiger Sicht werde es "voraussichtlich eine Lücke von 3,5 bis sieben Milliarden Euro" geben. Ohne weitere Maßnahmen müssten die Zusatzbeiträge erneut um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte steigen. Da sich die Finanzen aber besser entwickeln als erwartet, kann es für die Versicherten auch besser kommen. Die hohen Tarifabschlüsse und die stabile Lage am Arbeitsmarkt sorgen für wachsende Einnahmen.

Der GKV fordert nun erneut ein Konzept für die nachhaltige Finanzierung der Krankenversicherung. Vorschläge dafür hat der Verband parat. So soll die Krankenhausversorgung am Bedarf der Bevölkerung ausgerichtet und mehr Untersuchungen, etwa bei Notfällen, ambulant durchgeführt werden. Auch die Überversorgung mit Vertragsärzten in manchen Regionen sehen die Kassen als Kostentreiber. Auch interessant: Beiträge und Leistungen – Das sind die besten Krankenkassen

Zudem mangelt es laut GKV zum Teil an Effizienz. So stehe im internationalen Vergleich pro Kopf in Deutschland mehr Personal zur Verfügung als in anderen Ländern. Zugleich leide das System an Personalmangel. "Ohne Strukturreformen ist keine nachhaltige Finanzierung möglich", warnt Pfeiffer.

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