Berlin. Nach monatelanger Straßen-Kleberei trifft sich der Bundesverkehrsminister mit der Letzten Generation. Die hat schon ein neues Ziel.

135 Minuten hat sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) Zeit genommen für die drei Vertreter der Letzten Generation. Die Klimaaktivisten hatten um den Termin im Ministerium gebeten, hatten sich statt Warnwesten mit Kleberflaschen in den Taschen sogar in Anzug und Krawatte und Blazer geworfen. Lea Bonasera, Nils und Marlon wollten darüber sprechen, wie der Verkehrssektor mehr Kohlenstoffdioxid einsparen kann. Anfang März noch besprühten Vertreter der Gruppe das Ministeriumsgebäude mit Wasser aus einem Feuerwehrauto und verpassten Wissing „eine kalte Dusche“.

Doch was immer Wissing auch angeboten hat oder wie „ergiebig“ laut den Straßenklebern das Gespräch war, klar ist: „Den Protest werden wir weiter machen. Der ist notwendig, der hat uns in dieses Gespräch überhaupt gebracht. Wir werden weiter protestieren, bis wir eine gute, entschlossene Klimapolitik haben“, sagte Aktivistin Bonasera hinterher.

Wie gute Klimapolitik aussieht, hatte die Letzte Generation zuvor klar gemacht: Sie fordert ein Neun-Euro-Ticket für alle und Tempo 100 auf Autobahnen. Die Gruppe hatte in den vergangenen Wochen immer wieder durch Straßenblockaden den Verkehr lahmgelegt und so die Wut vieler Autofahrer auf sich gezogen.

Zwei Monate vor dem Treffen mit Bundesverkehrsminister Wissing sah die Beziehung zwischen Minister und Aktivisten noch so aus: Im Mäzr bespritzt ein Mitglied der Letzten Generation das Gebäude in der Invalidenstraße.
Zwei Monate vor dem Treffen mit Bundesverkehrsminister Wissing sah die Beziehung zwischen Minister und Aktivisten noch so aus: Im Mäzr bespritzt ein Mitglied der Letzten Generation das Gebäude in der Invalidenstraße. © dpa | Sven Käuler

Der Verkehrsminister selbst lobte nach dem Gespräch: „Es war ein sachlicher Austausch von Positionen und Argumenten. Im Dialog zu stehen, gehört zum Wesen der Demokratie. Um unsere Klimaziele zu erreichen, brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens und keine Spaltung.“ Vor dem Treffen hatte Wissing angekündigt, dass er das radikale Vorgehen der Klimaaktivisten für nicht akzeptabel hält.

Derzeit blockiere die Letze Generation lediglich die Gesellschaft und hätte keinen Blick dafür, wie effektiv die Klimapolitik der Bundesregierung derzeit schon sei. Lesen Sie auch: Ist Aktivisten von der Straße ziehen erlaubt?

Im Verkehrsbereich wird regelmäßig etwas zu viel schädliches CO2 ausgestoßen

Zur Wahrheit gehört allerdings, dass Wissings Verkehrssparte regelmäßig die Klimaziele der Bundesregierung nicht erfüllt. Im vergangenen Jahr wurden gesetzliche Vorgaben zur Kohlenstoffdioxid-Einsparung verfehlt. Die Emissionen stiegen im Vergleich zum Vorjahr auf 148 Millionen Tonnen CO2 leicht an – statt zu sinken. Nachdem die Corona-Einschränkungen aufgehoben waren, hatte der Autoverkehr wieder zugenommen. Die Ampel-Koalition will das Ministerium mit einer Neuerung im Klimaschutz-Gesetz entlasten. Demnach sollen die Klimaziele der Regierung künftig von allen Ministerien gemeinsam erfüllt werden.

Verkehrsminister Volker Wissing und Rolf Erfurt, Vorstandsmitglied der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), nutzen am ersten Gültigkeitstag des Deutschlandtickets die Fahrkarte für eine Spritztour in der Berliner U-Bahn.
Verkehrsminister Volker Wissing und Rolf Erfurt, Vorstandsmitglied der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), nutzen am ersten Gültigkeitstag des Deutschlandtickets die Fahrkarte für eine Spritztour in der Berliner U-Bahn. © IMAGO/Emmanuele Contini

Die Forderung nach einem dauerhaften Neun-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr wies Wissing zurück. Der Verkehrsminister war für die Einführung des Sonderfahrscheins im Sommer 2022 verantwortlich. Doch verlängern wollte Wissing die Aktion nicht, dadurch würde Geld fehlen, um das Schienennetz in Deutschland weiter auszubauen. Man erreiche damit weniger für den Klimaschutz. Ein Tempolimit auf Autobahnen lehnt die FDP ebenfalls ab. Bei den großen inhaltlichen Differenzen kamen sich die Klimaaktivisten und der Verkehrsminister also auch in dem zweistündigen Gespräch nicht näher.

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Am Tag des Treffens im Ministerium landen 50 Aktivisten in Polizeigewahrsam

Dennoch zeigte sich die Aktivistin Bonasera zufrieden mit dem Gesprächsverlauf: „Menschlich war es ein sehr gutes Gespräch. Wir waren sehr respektvoll miteinander, haben uns gegenseitig zugehört, uns erklären können und haben versucht, Verständnis zu schaffen.“ Man habe mit Wissing vereinbart, den Austausch zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen.

Und die Letzte Generation macht beim Verkehrsminister nicht Halt: „Unser Ziel ist es natürlich, auch mit der Bundesregierung zu sprechen, das sagen wir immer wieder, dass wir uns gesprächsoffen auch dem Bundeskanzler Olaf Scholz gegenüber zeigen.“

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Parallel zum Treffen im Verkehrsministerium fanden in der Bundeshauptstadt wieder zahlreiche Klebeaktionen statt. Etwa 50 Mitglieder der Letzten Generation befanden sich nach eigenen Angaben am Nachmittag in polizeilichem Gewahrsam.