Berlin. Die Bundeswehr rettet Zivilisten aus dem Sudan: Seit Sonntag wurden mit drei Maschinen mehr als 300 Menschen aus Khartum ausgeflogen.

  • Inmitten der schweren Kämpfe im Sudan startete die Bundeswehr eine Rettungsaktion
  • Seit Sonntag wurden Hunderte Menschen ausgeflogen
  • Die erste Militärmaschine ist am Montag in Berlin gelandet

Die Bundesregierung will die Evakuierungsaktion für deutsche und ausländische Staatsbürger aus dem Sudan auch am Montag fortsetzen. „Wir planen natürlich diese Evakuierung heute noch fortzusetzen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag vor Journalisten in Berlin. Dies hänge aber „ganz entscheidend von der Sicherheitslage vor Ort ab“.

Die Bundesregierung werde „jede Minute nutzen, um Leute rauszubringen“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Sie blicke aber „mit Sorge auf die Lage“. Weder das Auswärtige Amt noch das Verteidigungsministerium konnten am Mittag sagen, wie lange das Zeitfenster für Rettungsflüge durch Zusagen der Konfliktparteien im Sudan noch bestehen bleibt.

Ein Airbus der Luftwaffe landet am Morgen mit aus dem Sudan evakuierten Menschen auf dem Flughafen BER.
Ein Airbus der Luftwaffe landet am Morgen mit aus dem Sudan evakuierten Menschen auf dem Flughafen BER. © Jörg Carstensen/dpa

Einsatz im Sudan: Zustimmung des Bundestags steht noch aus

Der Bundestag soll nachträglich seine Zustimmung zu dem Einsatz geben. Wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin mitteilte, wird das Bundeskabinett voraussichtlich noch am Montag im Umlaufverfahren über den Mandatstext beschließen und diesen dann dem Parlament zuleiten.

Es handele sich um einen Einsatz zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen, sagte Hebestreit. Eine vorherige Befassung des Bundestags hätte das Leben der Menschen gefährdet, erklärte er. Die Bundeswehr hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums seit Sonntag mehr als 300 Menschen mit Flugzeugen der Luftwaffe aus dem Sudan ausgeflogen. Rund die Hälfte seien deutsche Staatsbürger gewesen, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin. Zudem sind nach seinen Worten Menschen aus rund 20 weiteren Nationen, hauptsächlich europäischen, mitgenommen worden.

Sudanesische Beschäftigte der deutschen Auslandsvertretung und der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wurden nicht ausgeflogen. Es gebe einen gesetzlichen Auftrag für die deutschen Staatsangehörigen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts.

Das Außenamt geht nach Worten des Sprechers davon aus, dass noch weitere Deutsche im Sudan sind. Viele könne man telefonisch nicht erreichen. Einige hätten die Hauptstadt Khartum auf anderem Wege verlassen. So seien Deutsche mit einem UN-Konvoi und bei einem französischen Evakuierungseinsatz mitgenommen wurden.

Bundeswehr im Sudan: Rettungsmission gestaltet sich schwierig

In den vergangenen Tagen war intensiv an der Rettungsaktion der Bundeswehr gearbeitet worden: Am Sonntagnachmittag landeten zwei Militärtransporter der Bundeswehr vom Typ A400M im Sudan, um deutsche Staatsbürger vor den Kämpfen in dem nordostafrikanischen Land in Sicherheit zu bringen. In dieser „gefährlichen Lage“ sollten so viele deutsche Staatsangehörige wie möglich aus der Hauptstadt Khartum ausgeflogen werden, erklärte das Verteidigungsministerium. „Im Rahmen unserer Möglichkeiten werden wir auch europäische und weitere Staatsangehörige mitnehmen.“

Auf der Luftwaffenbasis Al-Asrak in Jordanien steigen Soldaten der Bundeswehr in eine Bundeswehrmaschine, um in den Sudan zu fliegen.
Auf der Luftwaffenbasis Al-Asrak in Jordanien steigen Soldaten der Bundeswehr in eine Bundeswehrmaschine, um in den Sudan zu fliegen. © Neumann/Bundeswehr/dpa

Seit Sonntag hat die Bundeswehr mehr als 300 Menschen aus Khartum ausgeflogen. Am Sonntagabend landeten zwei Maschinen in Jordanien mit jeweils 101 und 113 Evakuierten an Bord. In der Nacht zum Montag landete „um 02.25 auch die dritte Bundeswehrmaschine mit rund 100 Menschen an Bord“ in Jordanien, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommando der Bundeswehr der Nachrichtenagentur AFP.

Die erste Militärmaschine der Bundeswehr mit Evakuierten aus dem Sudan ist am Montagmorgen schließlich in Berlin gelandet. An Bord waren 101 Deutsche, ihre Familien und Angehörige weiterer Partnerstaaten, teilte das Auswärtige Amt auf Twitter mit.

Im Vorfeld hatte es geheißen, es solle eine niedrige dreistellige Zahl deutscher Staatsbürger aus dem Land geholt werden, nachdem dort vor einer Woche schwere Kämpfe zwischen zwei rivalisierenden Generälen und ihren Einheiten ausgebrochen waren. Einen ersten Rettungsversuch hatte die Bundeswehr am Mittwoch abgebrochen, da die Lage vor Ort als zu unsicher bewertet wurde, nachdem eine erhoffte Waffenruhe nicht zustande kam. Flugzeuge der deutschen Luftwaffe drehten auf dem Weg nach Khartum um.

Bundeswehr-Rettung im Sudan: Schwere Kämpfe

Seitdem bereitete die Bundesregierung in einem Krisenstab den zweiten Versuch vor. In den vergangenen Tagen verdichteten sich bereits die Hinweise, dass die Bundeswehr am Wochenende einen zweiten Anlauf unternehmen könnte – dieses Mal aber mit robustem militärischem Schutz. Die Bundeswehr hatte dafür mehrere Transportflugzeuge sowie Fallschirmjäger und Spezialkräfte mit Waffen und Material aus Deutschland zunächst auf eine Bundeswehrbasis nach Jordanien verlegt. In einer A400M-Maschine können im Notfall bis zu 200 Menschen transportiert werden.

Auch andere westliche Staaten wie die USA, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Italien berichteten am Sonntag von Evakuierungseinsätzen. Die Landungen der ausländischen Flieger wurden von sudanesischen Behörden koordiniert. Obwohl die Intensität der Auseinandersetzungen zuletzt abgenommen hatte, galt die Lage am Wochenende weiterhin als unübersichtlich. Mit weiteren Kämpfen wird gerechnet.

Der plötzliche Ausbruch der Kämpfe im Sudan hatte Beobachter im Ausland überrascht. Dahinter steht ein Konflikt zwischen den beiden mächtigsten Generälen des Landes, die bisher gemeinsam regiert hatten: In den Kämpfen stehen sich de-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, und sein Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF), gegenüber. Die RSF-Miliz sollte in die Armee eingegliedert werden.

Bei den erbitterten Kämpfen wurden bisher mehr als 420 Menschen getötet und mehr als 3700 weitere verletzt. Die Bundesregierung hatte sich im Vorfeld der Rettungsaktion eng mit ihren internationalen Partnern abgestimmt, war aber auch mit der sudanesischen Armee in Kontakt.

Deutsche Staatsbürger im Sudan wurden von der Bundesregierung vor der Rettungsmission regelmäßig kontaktiert und mit Hinweisen zum Verhalten inmitten der Kämpfe versorgt. In Khartum verschlechterte sich die Versorgungslage seit dem Beginn der Kämpfe dramatisch. Es fehlen Wasser und Lebensmittel, Stromabschaltungen behindern zunehmend auch die Kommunikation der Bundesregierung mit deutschen Staatsbürgern, etwa weil Menschen ihre Handys nicht mehr aufladen können. Unsicher wurde die Lage außer durch die Kämpfe der verfeindeten Gruppen auch durch Plünderungen.

Sudan: Gründe für die unsichere Lage im Land

Die Spannungen im Sudan gehen seit Jahren und sind auf mehrere Faktoren zurückzuführen:

  1. Nord-Süd-Konflikt: Anhaltende Spannungen seit der Unabhängigkeit 1956, die zu zwei Bürgerkriegen führten und 2011 in der Unabhängigkeit des Südsudan gipfelten.
  2. Darfur-Konflikt: Eine humanitäre Krise seit 2003, verursacht durch Kämpfe zwischen Rebellen, der Regierung und regierungsnahen Milizen.
  3. Politische Instabilität: Sturz von Präsident Omar al-Bashir im April 2019 und schwieriger politischer Übergangsprozess.
  4. Wirtschaftliche Probleme: Hohe Inflation, Arbeitslosigkeit, Devisenknappheit und hohe Auslandsverschuldung.
  5. Ethnische und religiöse Spannungen: Vielzahl von Gruppen, die zu Konflikten führen, insbesondere in Darfur und Grenzregionen zum Südsudan.

(mit dpa/AFP)