Berlin. Kommt ein Tiktok-Verbot auf den privaten Handys von Bundeswehr-Soldaten? Die Wehrbeauftragte Eva Högle macht dazu eine klare Ansage.

Ein westliches Land nach dem anderen schränkt die Nutzung der umstrittenen Social-Media-App Tiktok auf Dienstgeräten von Regierungs- und Parlamentsmitarbeitern ein. Auch das Bundesverteidigungsministerium hat klare Vorgaben zur Verwendung der zum chinesischen Bytedance-Konzern gehörenden Kurzvideo-App: Seit dem 23. April 2020 besteht für Tiktok ein dienstliches Nutzungsverbot für den gesamten Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums. Dazu zählt auch die Bundeswehr.

Allerdings: „Eine private Nutzung ist nicht untersagt“, teilte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums unserer Redaktion mit. Soldaten können die App auf ihren privaten Smartphones also weiterhin installieren und Videos auf Tiktok posten. Ein Sicherheitsrisiko?

Ist Tiktok ein Sicherheitsrisiko für das Militär?

Experten warnen vor der vor allem bei jungen Menschen beliebten App, die weltweit mehr als eine Milliarde Nutzer hat. Hintergrund ist die Sorge, dass über die App Daten direkt an die Regierung in Peking fließen könnten und China Tiktok zur Spionage nutzt. Tiktok weist die Vorwürfe zurück. In den USA wird aber inzwischen darüber diskutiert, die App aus Gründen der nationalen Sicherheit ganz zu verbieten.

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Die Social-Media-App Tiktok gehört zum chinesischen Bytedance-Konzern.
Die Social-Media-App Tiktok gehört zum chinesischen Bytedance-Konzern. © AFP | LOIC VENANCE

Im militärischen Bereich könnte es besonders heikel sein, wenn China Tiktok zum Absaugen sensibler Daten nutzen sollte. Allerdings ist es bisher auch aktiven Soldaten des US-Militärs weiterhin erlaubt, Videos auf Tiktok zu veröffentlichten. In den USA sind die Accounts aus dem Umfeld der US-Streitkräfte unter dem Namen „MilTok“ zu einem eigenen Genre auf der Plattform geworden. Auch unter dem Schlagwort #bundeswehr finden sich zahlreiche Posts, die offenbar von aktiven Soldaten stammen.

Verbot von Tiktok auf Soldatenhandys? Wehrbeauftragte für „restriktiven“ Umgang

Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) zeigte sich in einem Gespräch mit dieser Redaktion nun offen dafür, Bundeswehrsoldaten die Nutzung von Tiktok auch auf nicht dienstlichen Geräten zu untersagen. „Ich bin dafür, in solchen Fragen restriktiv zu sein“, sagte Högl auf die Frage, ob der Bundeswehrsoldaten die App auf ihren Privathandys verboten werden sollte. „Soldatinnen und Soldaten haben eine besondere Verantwortung.“ Die App-Nutzung durch Angehörige der Bundeswehr sei „ein sehr wichtiges und sensibles Thema“.

Gefragt nach möglichen Bedenken hinsichtlich der privaten Nutzung von Tiktok verweist das Verteidigungsministerium auf die 2019 veröffentlichten Social-Media-Guidelines für Soldaten, die einen „sicheren Umgang mit Instagram, Facebook, Twitter, Tiktok und Co.“ gewährleisten sollen. „Posten und veröffentlichen Sie keine Inhalte, die die militärische Sicherheit gefährden oder Sie und andere in Gefahr bringen könnten“, heißt darin.

Social-Media-Guidelines der Bundeswehr: Film- und Fotografierverbot in Kasernen

Betont wird auch das in Kasernen zumeist geltende Film- und Fotografierverbot. „Schon ein Standort, ein Name, ein Kfz-Kennzeichen oder Zeitangaben können für Geheimdienste oder gegnerische Gruppierungen nützliche Informationen sein und die eigenen Kräfte sowie die Auftragserfüllung gefährden“, werden die Soldaten gewarnt. Hingewiesen wird auch darauf, dass die Regeln für das Posten aus dem Einsatz noch strenger sein können.

Auch zum Thema Datenschutz gibt es Tipps: So sollten die Systemeinstellungen regelmäßig überprüft werden, Einstellungen zur Privatsphäre würden von den Social-Media-Plattformen schließlich oft ohne Vorankündigung geändert: „Die von Ihnen veröffentlichten und von anderen einsehbaren Informationen können dann gegen Sie eingesetzt werden.“

Ukraine-Krieg: Social-Media-Posts verrieten Tschetschenen-Einheit

Gewarnt wird außerdem davor, dass Smartphones, Smartwatches und Tablets standardmäßig mit GPS-Modulen ausgestattet sind. Die Geräte könnten somit die Koordinaten des Ortes sowie die Uhrzeiten von Aufnahmen speichern. Beim Posten von Fotos und Videos könnten diese Daten erhalten bleiben, gegebenenfalls durch Dritte ausgelesen „sowie zu Ihrem und zum Nachteil der Bundeswehr genutzt werden“.

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl.
Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl. © epd | Christian Ditsch

Wie Bedenkenlosigkeit bei Posts in sozialen Netzwerken militärisch genutzt werden kann, zeigt der Krieg in der Ukraine. Dort soll der ukrainischen Armee im Oktober ein erfolgreicher Artillerieeinsatz mit zahlreichen Toten gegen eine tschetschenische Einheit gelungen sein, weil deren Kämpfer zuvor ihren Aufenthaltsort durch Fotos in sozialen Netzwerken preisgegeben hatten.

Bundeswehr ermuntert Soldaten zum Einsatz sozialer Medien

Dass Soldaten der Bundeswehr in sozialen Medien über den Alltag bei der Truppe berichten, ist aber trotz der Warnungen in den Social-Media-Guidelines durchaus gewollt. Tausende Kameradinnen und Kameraden seien online aktiv „und jeder einzelne liefert Einblicke in den Dienstalltag, die für Außenstehende authentischer und nahbarer nicht sein könnten“, heißt es ermunternd auf einer Internetseite der Bundeswehr zu dem Thema.

Den Soldaten wird dort zudem ein Signal der Offenheit gesandt: Die Regelungen zum pauschalen Film- und Fotografierverbot innerhalb geschlossener militärischer Anlagen würden derzeit überarbeitet. „Grundsätzlich können Sie Waffen und Waffensysteme von außen zeigen“, solange die Kennzeichen nicht zu sehen seien, wird den Soldaten außerdem versichert.

Högl ruft das Bundesverteidigungsministerium auf, „Handlungssicherheit für die Truppe“ zu schaffen. „Die Soldatinnen und Soldaten brauchen ganz klare Regeln vom Verteidigungsministerium, wie sie mit sozialen Medien und auch Tiktok umgehen sollen“, sagte die Wehrbeauftragte. „Viele in der Truppe wissen gar nicht, was erlaubt ist. Also braucht es eindeutige Regeln, die den Angehörigen der Bundeswehr gut kommuniziert werden.“

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