Winterberg. Die einmalige Olympia-Bilanz in Peking hatte für das deutsche Bob-Team Konsequenzen. Es folgten materialtechnische Regeländerungen vom Weltverband. Der Vorteil scheint vor der WM fast weg zu sein.

Nach den Erfolgen im Eiskanal bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking und der starken WM im Vorjahr in St. Moritz möchte das deutsche Bob-Team bei den Heim-Weltmeisterschaften in Winterberg daran anknüpfen. Angesichts der Überlegenheit haben die anderen Nationen aber auf Regeländerungen gedrängt.

„Der Rest der Welt gegen Deutschland, das kann ich ganz klar sagen, da stehe ich auch zu“, sagte Bob-Cheftrainer René Spies der Deutschen Presse-Agentur vor den WM-Entscheidungen ab Donnerstag. So holten die Schweizer, die Letten und die Briten materialtechnisch auf. Doch reicht das im Zusammenspiel von Technik, Startleistungen und Fahrkünsten auch für den WM-Titel?

Wie läuft die WM in Winterberg?

Vor den Bob-Titelkämpfen gibt es die Skeleton-Weltmeisterschaften. An diesem Donnerstag und Freitag ermitteln Frauen und Männer in jeweils vier Läufern ihre Weltmeister. Am Samstag und Sonntag folgen die Entscheidungen im Monobob der Frauen und im Zweierbob der Männer. Nach einer Pause geht es am Wochenende danach weiter mit den Entscheidungen im Zweierbob der Frauen und im Viererbob der Männer.

Erfahrungsgemäß sind die Zeitabstände in Winterberg eng. Darum wird sie auch Starter-Bahn genannt. Aber warum?

Mit einer Wettkampflänge von 1330 Metern ist das 15 Kurven umfassende Eislabyrinth an der Kappe im Hochsauerland eine sogenannte Starter-Bahn, da die Topsprinter am Start einen leichten Vorteil haben. Aufgrund der relativ kurzen und einfachen Strecke sind Fahrfehler schlechter aufzuholen als etwa im 1722 Meter langen Natureiskanal in St. Moritz mit 19 Kurven. In der Vorsaison lagen die ersten drei Viererbobs nur zwei Zehntelsekunden auseinander.

Ist die Sturzgefahr in Winterberg auch so hoch wie beispielsweise in Altenberg zuletzt?

Stürze gibt es in allen Eiskanälen der Welt, sie sind auch nicht zu verhindern. Sie passieren durch Fahrfehler, durch fehlende Ausbildung bei unerfahrenen Piloten oder aufgrund von neuen, angeblich schnelleren Linien, die Piloten oder Pilotinnen wählen, um wertvolle Hundertstelsekunden herauszuholen. Winterberg gehört zu den leichteren Bahnen im Weltcup-Zirkus, doch gerade in der Kurven-Passage 11/12 sowie in der Zielkurve besteht Kippgefahr. „Eine hundertprozentige Sicherheit gab es nie und wird es nie geben“, sagte Altenbergs Bahnchef Jens Morgenstern und ergänzte: „Wir betreiben Rennsport, wo es in der Vergangenheit Stürze mit schwerem oder tödlichem Ausgang gegeben hat. Das wissen alle, die den Sport betreiben.“

Wie groß ist der Heim-Vorteil?

Er ist wie in Königssee oder Altenberg schwer wegzudiskutieren. Denn die Deutschen haben mehr Trainingsläufe, mehr Testrennen, um Material zu entwickeln. Zudem wurden auch die deutschen Meisterschaften Mitte November in Winterberg ausgetragen.

Welche technischen Änderungen hat der Weltverband vor der Saison beschlossen?

Der Bob bestehe - vereinfacht gesagt - aus Stahl, an dem die Kufen dran sind, sowie einer Haube, meist aus Carbon, erklärte der deutsche Cheftrainer Spies. Bedeutend sind die Verbindungspunkte von Haube und Rahmen. „Da geht es um Fahrdynamik, um Dämpfung, damit man viel Eiskontakt mit der Kufe hat. Und da gab es Regeleinschränkungen, wo wir sehr viel getüftelt haben in den letzten Jahren.“ Daher müsse man nun zusammen mit den Technikern vom Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) neue Lösungen finden, um die Erfolgsserie bei den Olympischen Winterspielen 2026 fortzusetzen. Denn die Schweizer und auch die dann gastgebenden Italiener mit dem deutschen Trainer Manuel Machata investieren hinsichtlich Olympia enorm ins Material.

Was wird das spannendste WM-Rennen?

Die Königsklasse Viererbob bleibt das Highlight. Der Brite Brad Hall ist nach einer Pause zurück, nachdem er im vergangenen Winter Francesco Friedrich auf dessen Heimbahn schlug und in Winterberg nur knapp Zweiter wurde. Zudem war der Lette Emils Cipulis mit seinem Wallner-Bob bei der WM-Generalprobe in Sachsen zeitgleich mit Sieger Friedrich.

Im Zweierbob wird der schwer gestürzte Schweizer Mitfavorit Michael Vogt fehlen, der im Vorjahr hinter Johannes Lochner Weltcup-Zweiter wurde. Titelverteidiger Lochner geht nach seinem Sturz in Altenberg an den Start. Die beiden Dauerrivalen Friedrich und Lochner werden auch auf den frisch gebackenen Europameister Adam Ammour aufpassen müssen. Der ehemalige Turner ist stark am Start und bezwang zuletzt Friedrich auf dessen Heimbahn und in Sigulda. „Franz ist nicht ratlos, sondern ein lösungsorientierter Typ, der weiß genau, an welche Baustellen er arbeiten muss“, sagte Spies, der die offene Situation super findet: „Es ist doch klasse, wenn sich alle auf Spitzenniveau auscatchen.“

Warum hört man an der Bahn ein Nebelhorn?

Wenn das Nebelhorn unüberhörbar an der Bahn ertönt, wissen alle, dass Francesco Friedrich am Start steht. Die Sirene aus dem Film „The Purge“ ist zu seinem Markenzeichen geworden.