Berlin. Mehr Fernwärmeanschlüsse, besserer Gebäudebestand: Ostdeutschland hängt westliche Bundesländer ab. Klappt hier die Energiewende besser?

Gegen das geplante Heizungsgesetz der Ampel-Koalition regt sich seit Monaten Widerstand. Immer wieder wurden unsanierte Ein- und Zweifamilienhäuser im Harz als Beispiel angeführt, dass der Einbau einer Wärmepumpe samt Gebäudesanierung für viele Eigenheimbesitzer finanziell nicht zu stemmen sei. Doch nun zeigt eine Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena), dass Ostdeutschland besser durch die Wärmewende kommen könnte als der Westen.

Dass ab dem Jahr 2024 voraussichtlich keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen, stieß insbesondere bei Politikern in Ostdeutschland auf deutliche Kritik. Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) sagte Mitte Mai im Rahmen einer Bundesratssitzung, man stehe zum Klimaschutz und auch der Gebäudebereich müsse seinen Teil beitragen. Es gehe aber nicht ohne Akzeptanz in der Bevölkerung: „Viele Menschen machen sich Sorgen darum, dass sie später ihr eigenes Haus oder ihre eigene Wohnung im schlimmsten Fall verkaufen müssen, weil sie dann die Kosten eines Heizungswechsels nicht tragen können.“

Sanierung und Neubauten: Hier steht der Osten besser da

Dass aber Immobilienbesitzer im Osten inklusive Berlin besser durch die Wärmewende kommen könnten als im Westen, deutet nun eine dena-Studie an. So ist beispielsweise der Sanierungsstand der Gebäude im Osten höher als im Westen. 27 Prozent der Gebäude in den neuen Bundesländern sind noch nicht saniert – gegenüber 37 Prozent im Westen. Neun Prozent der Altbauten im Osten sind hingegen vollsaniert – und damit fast doppelt so viele wie im Westen, hier sind es lediglich fünf Prozent.

Hinzu kommt im Osten eine deutlich höhere Anzahl an Neubauten: 13 Prozent des Gebäudebestands sind hier Neubauten, im Westen sind es 8 Prozent. Am meisten wird übrigens in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg neu gebaut. Der Anteil ist mit 18 beziehungsweise 19 Prozent im gesamtdeutschen Vergleich am höchsten.

Der Sanierungsstand des Gebäude ist für die Wärmewende deshalb wichtig, weil Dächer, Decken, Wände, Fenster und Türen isoliert sind. Und somit Wärmepumpen effizienter und kostengünstiger arbeiten können.

Vorteil Ostdeutschland: ein ausgebautes Fernwärmenetz

Ein weiterer Standortvorteil für Ostdeutschland: Schon jetzt sind hier deutlich mehr Gebäude an ein Fernwärmenetz angeschlossen als im Westen. Zwar ist hier, wie im Westen auch, Gas die meist genutzte Heiztechnik (46,8 Prozent beziehungsweise 53,8 Prozent). Knapp 32 Prozent der Wohneinheiten werden aber mit Fernwärme beheizt. Im Westen sind es nur knapp 10 Prozent. Berlin hat sogar eines der größten Fernwärmenetze Europas.

Mehr Anschlüsse an Fernwärmenetze, mehr Neubauten: Der Osten hat gute Voraussetzungen, Westdeutschland in der Wärmewende abzuhängen.
Mehr Anschlüsse an Fernwärmenetze, mehr Neubauten: Der Osten hat gute Voraussetzungen, Westdeutschland in der Wärmewende abzuhängen. © picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Die Netze sind ein Erbe der DDR, damals wurde vor allem via Fernwärme geheizt, Gas war Mangelware. Im Osten wurden zum Teil gänzlich neue Städte, wie beispielsweise Eisenhüttenstadt, und Stadtteile wie Berlin-Hellersdorf gebaut. „Um diese Gebiete zu versorgen, wurde von vornerein die Wärmeversorgung zentral ausgelegt“, erklärt eine Sprecherin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auf Nachfrage. „Es konnten mit dem Neubau der Wohnungen gleich die Wärmeversorgung mit angelegt werden.“

Heute wiederum gelten Fernwärmenetze als zentraler Baustein der Energiewende. Sie können schneller auf erneuerbare Energie und Abwärme – Wärmepumpen – umgestellt werden.

Parlamentarischer Staatssekretär sieht auch Nachteile für Ostdeutschland

„Auch wenn derzeit häufig das Gegenteil behauptet wird: Der Osten hat gute technische Voraussetzungen für die Wärmewende, die Häuser sind besser saniert, das Fernwärmenetz ist stark ausgebaut“, sagt Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, dieser Redaktion. Das helfe bei der Dekarbonisierung der Wärmewende.

Der Grünen-Politiker wirft aber auch ein: „Aber es gibt auch ein Problem: Die Finanzkraft, was Einkommen und Vermögen angeht, ist im Osten geringer.“

Einkommens- und Vermögensniveau in Ost und West sehr ungleich

Tatsächlich: Dass allein die technischen und strukturellen Voraussetzungen die Wärmewende im Osten einfacher macht als im Westen, ist zu bezweifeln. Das Einkommens- und Vermögensniveau liegt im Osten im Schnitt unter dem westdeutschen. Die Deutsche Bundesbank teilte im April mit, dass auch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung die Nettovermögen im Osten Deutschlands deutlich geringer seien als im Westen. Das Median-Vermögen eines Haushalts im Osten lag 2021 bei 43.400 Euro, im Westen hingegen bei 127.900 Euro.

Und auch das jährliche Durchschnittsgehalt liegt in Ostdeutschland im Schnitt rund 12.200 Euro unter dem Lohn in Westdeutschland. Das geht aus einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr hervor. Westdeutsche verdienten demnach 2021 im produzierenden Gewerbe und bei Dienstleistungen 55.797 Euro. Ostdeutsche bekamen im Schnitt lediglich 43.624 Euro. Das entspricht einem Gehaltsunterschied von mehr als 12.000 Euro im Jahr.

Unklarheit über Förderung beim Heizungstausch

Geld, das am Ende im Osten für die Wärmewende fehlt? Kellner sagt, er wolle sich deshalb „für eine sozial-ausgewogene Förderung“ einsetzen. Dies könnte so aussehen, dass nicht alle pauschal dieselbe Förderung beim Heizungstausch bekommen sollen, sondern diese ans Einkommen gekoppelt sei. Sprich: Geringverdiener könnten mehr bekommen.

Doch die Ampel ist sich uneinig über die Ausgestaltung der Förderung. Nach Plänen der Grünen sollen einkommensschwache Haushalte sogar bis zu 80 Prozent Förderung erhalten können. Ob dieses Vorhaben aber so kommt, liegt vor allem an der FDP. Sie will bisher alle Haushalte unabhängig vom Einkommen gleich entlasten. Für viele Ostdeutsche könnte so die Wärmewende trotz struktureller Vorteile zu einem Problem werden.