Berlin. Pizza, Pasta & Co. könnten teurer werden. Was einen Wirtschaftsprofessor, einen Restaurantbesitzer und den Linken-Vorsitzenden eint.

Unter Gastronomen rumort es. Zahlreiche Restaurants haben sich immer noch nicht von der Pandemie erholt – ihre Umsätze liegen rund 14 Prozent unter dem Niveau der Vor-Corona-Zeit. Gäste gehen wegen der hohen Inflation weniger zum Essen aus. Nun läuft zum Jahresende auch noch der gesenkte Mehrwertsteuersatz für Speisen aus und soll wieder von 7 auf 19 Prozent erhöht werden.

„Eine Steuererhöhung wäre eine absolute Katastrophe und Gift für die Betriebe“, sagt Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel und Gaststättenverbands (Dehoga), Ingrid Hartges, und fordert die Beibehaltung des ermäßigten Steuersatzes. Schon heute kämpften die Gastronomen mit „irrsinnigen Kostenexplosionen“. „Eine Steuererhöhung müsste in vollem Umfang an die Gäste weitergegeben werden, da es hier für Gastronomen keine Spielräume mehr gibt.“

Gaststättenverband befürchtetet Schließung von 12.000 Unternehmen

Hartges befürchtet, dass Preiserhöhungen zu weniger Gästen und Umsatz sowie weiteren Lokalschließungen führen werden. Aktuell gibt es noch 186.000 Unternehmen mit 1,08 Millionen Mitarbeitern und 900.000 Minijobbern. „Wir haben während der Pandemie 36.000 steuerpflichtige Unternehmen verloren. Bei einer Steuererhöhung würden weitere 12.000 Unternehmen ihr Geschäft aufgeben“, zitiert Hartges das Ergebnis einer Mitgliederumfrage.

„Daran kann die Politik eigentlich kein Interesse haben.“ Schließlich tragen Cafés und Restaurant neben dem Handel zu lebendigen Innenstädten bei. Auf dem Land haben sie eine wichtige soziale Funktion. „Diese öffentlichen Wohnzimmer dürfen nicht verschwinden.“

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Gastronom: Steuern für Restaurants sind eine Bestrafung

„Ich verstehe nicht, warum wir mit einer höheren Mehrwertsteuer bestraft werden sollen“, kritisiert Franco Francucci, der seit 27 Jahren ein italienisches Restaurant in Berlin betreibt. „Alle lieben Cafés und Restaurants. Doch wo bleibt die Leichtigkeit, wenn Essen und Trinken durch Steuern noch teurer wird?“ Denn: „Wer seine Qualität halten will, muss bei einer Steuererhöhung die Preise weiter erhöhen. Wer das nicht tut, bleibt auf der Strecke.“

Die Branche leiste einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaft, hebt Francucci hervor. Sie erledige alles selbst – vom Einkauf bis zum Abwasch -, schaffe Arbeitsplätze und beschäftige Menschen aus allen Schichten – von Ungelernten, Alleinerziehenden bis zu Einwanderern. „Warum gilt nicht wie in fast allen europäischen Ländern die niedrige Mehrwertsteuer?“, so der Wirt: „Jeder sollte es sich leisten können, auf einer Terrasse zu sitzen und die Seele baumeln zu lassen.“

Essen gehen im Restaurant könnte bald wieder teurer werden.
Essen gehen im Restaurant könnte bald wieder teurer werden. © dpa-tmn | Emma Innocenti

Die schwarz-rote Bundesregierung hatte die Mehrwertsteuer auf Speisen in Gaststätten im Zuge des Corona-Steuerhilfegesetzes auf 7 Prozent gesenkt, um die Wirte zu unterstützen. Seither gilt dort derselbe Steuersatz wie für den Außerhausverkehr, Lieferdienste oder Lebensmittel im Einzelhandel. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte im März einen Gesetzentwurf für eine Fortsetzung des geringeren Steuersatzes vorgelegt. Doch die Ampelkoalition lehnte dies ab. Nun soll das Thema erneut auf den Tisch. Nach Schätzungen des Finanzministeriums kostet die Maßnahme den Steuerzahler 3,3 Milliarden Euro pro Jahr.

Steuern: Höhere Steuern für Restaurants stark umstritten

Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) plädiert für eine Beibehaltung der verminderten Mehrwertsteuer. Es wäre „eine Steuererhöhung zur Unzeit, unter der Konsumenten und Gastronomen leiden werden, während deren fiskalischer Effekt wegen der stärkeren Kaufzurückhaltung überschaubar bleiben dürfte“, sagt Michael Hüther.

Der Linken-Vorsitzende Dietmar Bartsch spricht sich ebenfalls für eine Verlängerung aus, sonst drohe ein Verlust von Arbeitsplätzen und Lebensqualität. „Zudem würde eine Mehrwertsteuererhöhung auch Kitas und Schulen betreffen, was zutiefst unsozial wäre.“ Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) plädiert für eine Verlängerung um ein Jahr, „um die Inflation nicht weiter anzuheizen“, so der Vorsitzende Guido Zeitler.

Dauerhaft niedrigere Mehrwertsteuer für Restaurants: Ampel-Koalition zögert

Die Fraktionen der Ampelkoalition wollen sich ihre Meinung dazu erst bei den Haushaltsberatungen bilden. „Die Haushaltssituation ist aktuell sehr angespannt und jede einzelne Maßnahme muss daher in besonderem Maße auf ihre Dringlichkeit geprüft werden“, sagte Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis-90/Die Grünen. Eine Fortsetzung werde vor dem Hintergrund der November-Steuerschätzung bewertet, so Till Mansmann, Finanzexperte der FDP. Für eine Entscheidung sei es derzeit noch zu früh, so der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Schrodi.

Restaurantbesuche sind zuletzt vor allem durch höhere Kosten für Personal, Energie und Lebensmittel teurer geworden. Laut Statistischem Bundesamt ist der Verzehr einer Hauptspeise im Juli rund 19 Prozent teurer gewesen als noch Anfang 2020, Fastfood sogar 23 Prozent.

Die Corona-Auswirkungen belasteten viele Betriebe bis heute, berichtet Hartges: „Viele müssen noch coronabedingte Kredite tilgen, andere haben ihre Altersvorsorge angefasst, die wieder aufgestockt werden muss.“ Hinzu kämen notwendige Investitionen. Manche Gastronomen müssten wegen fehlender Mitarbeiter ihre Leistungen deutlich einschränken und zugleich höhere Löhne zahlen – oft über Mindestlohn. Einige Restaurants würden ihre Betriebe mehrere Tage in der Woche schließen, Caterer sagten Veranstaltungen ab, so Hartges: „Die Krise ist noch nicht vorbei. Für viele ist deshalb der Erhalt des verringerten Steuersatzes existenziell.“