Berlin. Die Gewerkschaft IG Bau gibt Vonovia die Schuld an der Immobilienkrise. Soll der Bund einsteigen, um weiteren Baustopp zu verhindern?

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt greift Vonovia-Chef Rolf Buch scharf an für seine Aussage, zurzeit 60.000 Wohnungen nicht zu bauen. IG BAU-Chef Robert Feiger sagte unserer Redaktion, dass Deutschlands größter Wohnungskonzern derzeit keine Neubauten baue, bedeute „eine Verschärfung der Bau-Krise“. Und weiter: „Vonovia macht der Nation gerade deutlich, welchen Einfluss der Konzern auf dem Wohnungsmarkt hat. Vonovia will, dass sich das Bauen „wieder rechnet und lohnt“. Im Klartext: Der Konzern will den Neubau solange auf Eis legen, bis deutlich mehr Fördergelder fließen und sich Mieten munter weiter nach oben schrauben lassen.“

Der Vonovia-CEO hatte am Dienstag erklärt, dass sein Konzern derzeit zehntausende Wohnungen nicht anfange zu bauen, weil Baukosten und Zinsen zu hoch seien. „Wir machen alles fertig bis zum Baurecht. Und hoffen, dass sich Bauen bald wieder lohnt und rechnet. Dann wollen wir sofort wieder bauen,“ so Buch.

IG BAU warnt vor Entlassungen

„60.000 Wohnungen: Das entspricht immerhin dem kompletten Wohnungsbestand von Bottrop oder Remscheid – und einem Fünftel der bundesweiten Neubauleistung des vergangenen Jahres“, sagte Feiger. Der IG BAU-Chef wirft Buch vor, mit seiner Aussage zum Baustopp bewusst zu „kalkulieren“ und die Politik und Bauwirtschaft damit unter Druck setzen zu wollen. „Es wird höchste Zeit, dass der Bund bei Vonovia einsteigt“, forderte Feiger. Der Staat könnte damit Einfluss auf die langfristige Strategie bei Vonovia bekommen. „Außerdem wäre dies ein starkes Signal: Der Staat würde damit deutlich machen, dass er sich – nach vielen Privatisierungen – auf dem Wohnungsmarkt wieder einmischt.“

Die Gewerkschaft IG BAU kritisiert Vonovia stark und fordert den Staat auf, in den Wohnungskonzern einzusteigen.
Die Gewerkschaft IG BAU kritisiert Vonovia stark und fordert den Staat auf, in den Wohnungskonzern einzusteigen. © dpa | Jan Woitas

Feiger warnte insbesondere vor den Konsequenzen für Bauarbeiter und Baufirmen. „Wenn der Staat es jetzt zulässt, dass der Wohnungsbau in die Knie geht, dann riskiert er, dass Baukapazitäten abgebaut werden.“ Er verglich die Bau-Branche mit der Gastronomie zu Corona-Zeiten: „Wer einmal geht, der ist weg.“

Immobilien-Spitzenverband warnt vor „Total-Stillstand“ in Branche

Auch der Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft (ZIA) warnte vor einem „Total-Stillstand“, auf den der Wohnungsbau zusteuere. Hauptgeschäftsführer Oliver Wittke sagte: „Wenn Vonovia den Bau von 60.000 Wohnungen aussetzt, dann zeigt dies doch das ganze Ausmaß der Krise. Schließlich halten viele Unternehmen es jetzt ähnlich: Storno ist gerade ein bitterer Trend.“ Die Immobilienbranche brauche ein „Entfesselungsprogramm. Finanziell und planerisch“, so Wittke.

Seine Vorschläge: Regulierungen und Neubau-Standards müssten überdacht werden. „Ein Zinsangebot der KfW mit einem Zinssatz von zwei Prozent für Neubauten ab Standard EH 55 könnte da viel bewegen. Und der berühme Paragraf 246 des Baugesetzbuchs, der Ausnahmen beim Bau von Flüchtlingsunterkünften ermöglicht hat, sollte jetzt auf den Mietwohnungsbau ausgedehnt werden.“

Am kommenden Montag will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einem Wohnungsgipfel im Kanzleramt mit Vertretern der Wohnungswirtschaft und Fachleuten Auswegen aus der Wohnungsbaukrise beraten. Und auch Wittke fordert: „Montag, beim Wohnungsgipfel im Kanzleramt, braucht es die Wende.“