Berlin. Arbeitest Du noch oder lebst Du schon? Warum die Vier-Tage-Woche reizvoll, aber für Mitarbeitende nur unter Bedingungen verlockend ist.

Mehr Zeit für sich selbst und die Familie – wer will das nicht? Drei von vier Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland sind nach einer am Montag veröffentlichten Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung für eine Vier-Tage-Woche. Bei näherem Betrachten der Umfrage der gewerkschaftsnahen Stiftung ist das Ergebnis allerdings ein "Ja, aber".

Denn: Voraussetzung ist, dass sie nicht weniger verdienen. Die Mitarbeitenden pochen auf den vollen Lohnausgleich. Nur acht Prozent der Erwerbstätigen würden ihre Arbeitszeit bei sinkendem Entgelt reduzieren.

Vier-Tage-Woche: Weniger arbeiten, mehr leben

17 Prozent der Befragten – mehr als 2500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte – lehnten eine Vier-Tage-Woche ab. Sie begründeten es meist damit, Spaß an der Arbeit zu haben. Oft spielte auch das Gefühl eine Rolle, dass sich an den Betriebsabläufen nichts ändern würde – oder dass die Arbeit in kürzerer Zeit nicht zu schaffen wäre.

Die Umfrage ist ein Indiz dafür, dass die Gewerkschaften eine Kampagne für um kürzere Arbeitszeiten führen wollen. Rammbock wäre die IG Metall. Zum einen ist sie eine mitgliederstarke und kampferprobte Gewerkschaft. Zum anderen beträgt die Arbeitszeit in der Metall- und Elektroindustrie 35 Stunden in der Woche. Im Stahl arbeiten die "Schichter" 33,6 Stunden. Der Weg zur Vier-Tage-Woche ist kurz.

Vier-Tage-Woche: Auf diese drei Faktoren kommt es an

"Zuallererst brauchen wir die Vier-Tage-Woche für Berufe, in denen kein Homeoffice möglich ist, wie auf Baustellen. Und für Schichtarbeit“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann der "Bild am Sonntag“. Er warf zum 1. Mai einen Stein ins Wasser und wartet ab, ob er Wellen erzeugt.

Die SPD signalisierte Zustimmung – zumindest für bestimmte Sparten der Wirtschaft. Von den Arbeitgebern und der FDP kam Ablehnung. Ihr Fraktionschef Christian Dürr sieht die Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr.

Ist Arbeitsverkürzung die Gegenreaktion auf KI?

Für alle Branchen kann sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eine flächendeckende Einführung nicht vorstellen. Ob die Wirtschaft eine Vier-Tage-Woche verkraften würde, hängt von drei Faktoren ab:

  • Von den Kosten. Im Metallbereich würde die Reduzierung von 35 auf 32 Stunden einer Lohnsteigerung von knapp 9,4 Prozent entsprechen. Das liegt – ob der hohen Inflation – im Rahmen der Lohnforderungen. Lohnzurückhaltung gegen Arbeitsreduzierung?
  • Vom Angebot an Arbeitskräften. Arbeiten alle weniger, sinkt die Produktion; ohne dass Unternehmen gegensteuern können, weil ein Arbeitskräftemangel herrscht. Zuwanderung wäre eine Lösung. Die Rede ist von einer jährlichen Netto-Zuwanderung von 400.000 Menschen. Zudem könnte die Erwerbsquote von Frauen steigen. "Es ist ja für Frauen durchaus attraktiv, wenn man in Richtung Vier-Tage-Woche geht“, meint SPD-Chef Lars Klingbeil.
  • Von der Produktivität. Ein Argument von SPD-Chefin Saskia Esken lautet: Zufriedene Arbeitnehmer leisten mehr. "Was ist mit der Busfahrerin? Die kann ja nicht vier Tage schneller fahren und hat dann vorgearbeitet", hält Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, im "Spiegel" dagegen. Auch der Pflege kann nicht vier Tage arbeiten und am fünften ruhen.

Zwei Faktoren kommen in der Diskussion mithin zu kurz. Erstens die technologische Entwicklung. Vor allem die künstliche Intelligenz (KI) könnte Millionen Jobs überflüssig machen. Die Gegenreaktion wäre eine bessere Verteilung der Arbeit, um Entlassungen vorzubeugen.

Zweitens die Flexibilisierung von Arbeit, ob an fünf, vier, drei oder weniger Tagen in der Woche. Und das dürfte, wenn die Zeichen nicht trügen, das Gegenangebot der Arbeitgeber zur Vier-Tage-Woche sein. Lesen Sie auch: Veränderung der Arbeitswelt durch KI – Das sagt Hubertus Heil