Berlin. Präsident Selenskyj spricht bei „Caren Miosga“ über die Rolle Deutschlands im Ukraine-Krieg – und kritisiert die Regierung Merkel.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert inzwischen mehr als 700 Tage. „Der Krieg hat Spuren hinterlassen“, sagt Moderatorin Caren Miosga. Die Ukrainerinnen und Ukrainer seien müde und erschöpft. Sie ist mit dem Nachtzug nach Kiew gereist, um im Präsidialpalast mit Präsident Wolodymyr Selenskyj zu sprechen.

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„Caren Miosga“: Das waren die Gäste:

  • Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine
  • Lars Klingbeil, SPD-Vorsitzender
  • Sabine Fischer, Osteuropa-Expertin
  • Vassili Golod, Leiter des ARD-Studios in Kiew

Viele Soldaten hätten nach Hunderten von Tagen im Einsatz eine Pause verdient, sagt Selenskyj. Derzeit wird ein neues Gesetz diskutiert, das Gerechtigkeit in die Frage der Mobilisierung bringen soll. Eine Gerechtigkeit, die dringend hergestellt werden müsse, so der Leiter des ARD-Studios in Kiew, Vassili Golod. „Es ist ein brutaler Abnutzungskrieg, es sind brutale Kämpfe an der Frontlinie. Es sind widrige Bedingungen, bei denen die Soldaten bei dieser Kälte kämpfen“, sagt der Journalist.

Auf russischer Seite würden Schätzungen zufolge zwischen 1000 und 1500 Soldaten täglich rekrutiert, so Sabine Fischer, die Osteuropa-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Auch hier sei die „Kriegsmüdigkeit spürbar“, sagt sie.

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Selenskyj bei „Caren Miosga” in der ARD: Scholz als „wahrer Leader Europas”

Mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz verbinde ihn ein gemeinsames Ziel, und zwar das „des Friedens, nicht des Krieges“, so Selenskyj im Interview mit Miosga. Scholz nennt er einen „wahren Leader Europas“. Dabei warf er ihm noch vor einem Jahr fehlenden politischen Willen vor, sagt Miosga. Selenskyj äußerte damals Unverständnis über die Blockadehaltung der Bundesregierung in Bezug auf Leopard-Panzer.

Wenige Tage nach dem Gespräch erteilte der Bundeskanzler die Freigabe. „Scholz hat verstanden, dass Putin nicht nur ein Name, sondern eine Bedrohung ist – und nicht nur eine Bedrohung für die Ukraine“, so der ukrainische Präsident.

Die Regierung unter der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel hingegen kritisiert Selenskyj. „Ich bin nicht enttäuscht von Olaf. Ich bin enttäuscht von der deutschen Politik, die bei der Besetzung der Krim nicht die Rolle gespielt hat, die die Ukraine verdient hätte – die Europa und die Welt verdient hätten“, sagt er. Er hätte sich bereits 2014 ein entscheidendes Bekenntnis Deutschlands zum Völkerrecht erwartet. Trotz der Krim-Annexion und des Donbas-Krieges hatte man weiter an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland festgehalten.

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„Caren Miosga”: Selenskyj kann sich Deutschland in Führungsrolle vorstellen

„Wir müssen aus 2014 lernen“, sagt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil. „Es geht nicht darum, auszuhalten. Putin will die Landkarte nachhaltig verändern. Dem müssen wir allen Widerstand entgegenbringen. Die Regierung arbeitet permanent daran, die Ukraine zu unterstützen.“

Mit Blick auf die anstehenden Wahlen in den USA und einen möglichen Präsidenten Donald Trump fragt Miosga, was sich Selenskyj wünsche, wenn die USA als wichtigster Unterstützer der Ukraine ausfallen würden. Diesen Fall hält Selenskyj zwar für unwahrscheinlich, er könne sich Deutschland allerdings durchaus in einer Führungsrolle vorstellen.

Ob Europa das kompensieren könne, will Miosga wissen. „Ich finde, wir müssen führen“, sagt Klingbeil dazu. „Deutschland muss vorne sein und aufgrund seiner Werte eine Richtung vorgeben.“ Und Vassili Golod betont: „Die Ukraine ist abhängig von Unterstützung.“