Berlin. Die Deutschen verursachen zu viel Plastikmüll. Aber beim Einkauf Plastik zu meiden, kann zur Tortur werden. Diese Hindernisse gibt es.

Gerade ist bei uns wieder die gelbe Tonne geleert worden. Sie war ziemlich voll. Nach Angaben der Umweltschutzorganisation BUND verbraucht und produziert Deutschland pro Jahr mit rund 21 Millionen Tonnen so viel Plastik wie kein anderes Land in Europa – Tendenz steigend. Die nun zu Ende gehende Fastenzeit und die traditionell mit ihr verknüpften guten Vorsätze waren für mich ein Anlass, auch in unserem Familienalltag noch genauer hinzuschauen, wie viel Plastik wir eigentlich einkaufen. Wir leben zu viert – zwei Erwachsene, zwei Kinder.

Schon beim ersten Durchdenken des Projekts wird mir klar: Ein kompletter Plastikverzicht ist unmöglich. Zu viele Alltagsgegenstände kommen ohne Plastik nicht mehr aus – das Fahrrad etwa oder der Kühlschrank. So ist Plastik-Fasten aber auch nicht gemeint.

Plastik-Fasten: Was hinter der Aktion steckt

Die Initiative wurde 2017 vom BUND ins Leben gerufen. Mit dem Ziel: Sensibilisieren und Müll reduzieren für mehr Nachhaltigkeit. „Es ist wichtig, auf der persönlichen Ebene Wirksamkeit zu sehen und zu spüren“, erklärt Janine Korduan, Expertin für Kreislaufwirtschaft. Hinzu komme: „Viele glauben, dass die meisten Folien und Verpackungen tatsächlich zu neuen gleichwertigen Produkten werden.“

In der Realität werde leider immer noch das meiste Plastik verbrannt. Und etwa fünf Prozent würden exportiert und landeten möglicherweise im Ausland in der Umwelt. Korduan: „Plastikfasten kann uns bewusst machen, wo wir im Alltag unnötigem Einwegplastik begegnen. Oft wird es nur wenige Minuten benutzt, bevor es im Müll landet.“

Einwegplastik vermeiden: In Supermarkt und Drogerie teils kaum möglich

Schon heute sind Metall- und Glastrinkflaschen genau wie Aufbewahrungs- und Brotboxen oder Bienenwachstücher und Staubsauger ohne Beutel ein fester Bestandteil unseres Haushalts. Viele Dinge werden selbst gemacht, im Sommer gerne auch Eis – in wiederverwendbaren Silikonformen.

Gleichzeitig gehört auch Einwegplastik zu unserem Leben dazu: das Netz um die Zwiebeln, Milch im Tetra-Pack, auch mal Äpfel oder Cherrytomaten samt Plastikhülle, Verpackungen von Joghurt, Brotbelag, Tiefkühlgemüse, Süßigkeiten. Die Liste ließe sich fortsetzen. Und dann gibt es ja noch die ganzen Non-Food-Produkte wie Putzmittel und Hygieneartikel.

„Wir können es uns als Gesellschaft eigentlich gar nicht mehr leisten, so viel Plastik für kurzlebige Verpackungen zu produzieren, da dies den Klimawandel extrem anheizt und viele andere negative Umweltauswirkungen hat“, sagt Korduan. „Als Konsument kann man es beim Einkaufen aber leider kaum oder nur mit großem Zeit- und finanziellem Aufwand vermeiden.“ Hier brauche es den politischen Rahmen, dass man Produkte hauptsächlich in Mehrwegverpackungen oder unverpackt bekomme.

Plastikreduziert einkaufen: In Unverpacktläden und bei manchen Händlern lassen sich Lebensmittel in Glasbehältern abfüllen.
Plastikreduziert einkaufen: In Unverpacktläden und bei manchen Händlern lassen sich Lebensmittel in Glasbehältern abfüllen. © iStock | istock

Plastikfrei einkaufen: Selbstversuch stößt an Grenzen

Auch ich stoße beim Plastikfasten schnell an Grenzen. Der kleine Unverpacktladen bei uns in der Stadt wurde vor Kurzem geschlossen. Dort konnte man sich zum Beispiel Nüsse oder Nudeln abfüllen. 500 Gramm Penne gab es für 1,50 Euro. Völlig okay im Vergleich zur Bio-Variante in Papier auf dem Markt für den doppelten Preis oder die plastikverpackte Variante für 99 Cent beim Discounter. Diese Möglichkeit habe ich nun nicht mehr.

Auch Joghurt im Mehrwegglas gibt es bei den Supermärkten in meiner Nähe leider noch nicht. Ich müsste weit fahren. Auch auf den Wochenmarkt schaffe ich es mittwochs nur selten. Dort füllen mir die Verkäuferinnen und Verkäufer Brotaufstrich, Käse und Putenbrust in mitgebrachte Behälter. Zum Vergleich: Für 400 Gramm jungen Gouda zahle ich 5,70 Euro, beim Discounter sind es 3,50 Euro.

Plastikfreie Produkte: Umweltschutz kann teuer werden

Richtig teuer wird es bei Hygieneprodukten wie Zahnbürsten, festem Shampoo oder plastikfreier Zahnseide. Letztere kostet im Vergleich zur Hausmarke das Fünffache. Dennoch bin ich erstaunt: Für viele Produkte finde ich selbst in der Drogerie plastikfreie Alternativen. Unverpacktes Toilettenpapier suche ich aber vergeblich. Wenigstens sind meine Kinder bereits windelfrei. Denn bei diesem Thema hat bei uns die Bequemlichkeit gesiegt.

„Es geht uns nicht darum, ein schlechtes Gewissen zu machen“, sagt Janine Korduan. „Der Verzicht muss im Alltag praktikabel sein. Auch ich hätte beispielsweise mit drei kleinen Kinder nicht so viel Zeit für Plastikvermeidung, sondern andere Prioritäten.“ Vielmehr gehe es darum, gesellschaftlichen Druck zu machen, damit politisch die Weichen gestellt würden, um alle leichten Einwegverpackungen vermeiden zu können.

„Plastikfreie Zahnseide kostet im Vergleich zur Hausmarke das Fünffache“: Redakteurin Anne-Kathrin Neuberg-Vural ist bei ihrem Plastikfasten-Selbstversuch an Grenzen gestoßen.
„Plastikfreie Zahnseide kostet im Vergleich zur Hausmarke das Fünffache“: Redakteurin Anne-Kathrin Neuberg-Vural ist bei ihrem Plastikfasten-Selbstversuch an Grenzen gestoßen. © Ural Karabıyık | Ural Karabıyık

Plastikmüll vermeiden: Zu diesen Alternativen rät die Expertin

Ich frage Korduan nach Alternativen beim Einkauf: „Zu unverpackt oder Mehrweg gibt es gerade bei Lebensmitteln leider keine gute Alternative“, so die Expertin. „Hier ist es quasi egal, ob man zu Einwegplastik, Papier aus neuem Zellstoff oder Glas greift.“ Das mache für die Ökobilanz keinen Unterschied. „Auch Aluminiumdosen sind fatal“, betont Korduan. Sinnvoll dagegen sei der Einkauf von Großpackungen – und das Vermeiden von einzeln Verpacktem, etwa Süßigkeiten.

Etwas desillusioniert bringe ich den Glasmüll zum Container. Denn leere Gläser zum Trinken oder mit Schraubdeckel zum Einkochen von Soße und Marmelade haben wir genug. Und warum danach nicht auch noch die zu klein gewordene Kinderkleidung oder aussortierte Spielsachen für den Basar fertig machen? So werden sie wenigstens möglichst lange genutzt.